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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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den Ausritten in die Wälder und Dörfer, bei den abendlichen Geselligkeiten, manchmal standen die beiden auch auf dem Platz und knallten mit der Peitsche um die Wette. Von Regierungsgeschäften war noch nicht viel die Rede, obwohl doch der junge Herzog energisch seine souveränen Ansprüche geltend machte gegen die Mutter, Anna Amalia, die sich nicht so ohne weiteres aufs Altenteil zurückziehen wollte. So gab es am Weimarer Hof einstweilen noch zwei Machtzentren, eines um den jungen Herzog das andere um die Herzoginmutter. Dazwischen die junge Herzogin, die sich von dem frisch angetrauten Gemahl vernachlässigt und von den neuen lockeren Sitten in seinem Umkreis abgestoßen fühlte. Der Graf Görtz, vormals Prinzenerzieher, jetzt Kammerherr bei der Herzogin, zieht sich grollend zurück und pflegt seine Kontakte zum preußischen Hof, geht auch für einige Zeit nach Berlin, wo er später Karriere machen wird. Seine in Weimar verbliebene Frau versorgt ihn mit Nachrichten vom Hofe. Diese Briefe vermitteln einen Einblick in das Gespinst von Intrigen am Hofe, in das sich auch Goethe verwickelt fand. Die beiden Görtz sind voller Abneigung gegenüber Goethe. Die Gräfin nennt ihn nur das »Postskriptum«. Er betrage sich arrogant, schreibt sie, »aber er wird gehätschelt, man rennt ihm nach«.
    Görtz war als Begleiter von Karl August schon dabei gewesen beim ersten Zusammentreffen mit Goethe im Dezember 1774 in Frankfurt. Goethes Lobrede auf den Kleinstaat hatte er als Schmeichelei empfunden, einzig für die Ohren Karl Augusts bestimmt. Seitdem hegte er ein tiefes Mißtrauen gegen ihn. Er war adelsstolz und fühlte sich einem bürgerlichen Literaten, und nichts anderes war Goethe für ihn, durchaus überlegen, insbesondere was politisches und diplomatisches Geschick und gesellschaftlichen Schliff betraf. Zwar war Goethe für ihn kein wirklicher Nebenbuhler, weil sein Ehrgeiz ihn bereits nach höheren Aufgaben Ausschau halten ließ, als sie ein so kleines Herzogtum zu vergeben hatte, aber seine Ablehnung verwandelte sich bald in einen regelrechten Haß: »Dieser Goethe ist ein Knabe, ein Knabe, dem man täglich Besserung mit der Rute geben sollte«. Diese Äußerung vom März 1775 hatte einen besonderen Anlaß. Es ging um Goethes Verhalten gegenüber Wieland, einstweilen noch das geistige Oberhaupt in Weimar.
    Goethe hatte im Oktober 1773 aus Ärger über Wielands Bearbeitung der »Alceste« von Euripides, die Farce »Götter Helden und Wieland« an einem Nachmittag und mit Hilfe einer Flasche Burgunder, so die Schilderung in »Dichtung und Wahrheit«, zu Papier gebracht. Mit beißendem Spott wird dort Wieland dargestellt, wie er mit Nachtmütze als Schatten in der Unterwelt vor Euripides und einigen der mythischen Helden aus dem Stück »Alceste« erscheint. Wieland hatte sie zu tugendhaften und empfindsamen Figuren umgestaltet und das als eine Verbesserung am griechischen Original bezeichnet. Das war es, was Goethe geärgert hatte und was auch im Hades übel vermerkt wird. Insbesondere Herkules, der bei Wieland als Tugendbold auftritt, zeigt sich als antiker Kraftkerl und poltert gegen den Mann mit der Schlafmütze los.
    Goethe streitet in »Dichtung und Wahrheit« ab, den Text in Druck gegeben zu haben. Lenz habe das getan. Er selbst hätte von dieser Laune eines Augenblicks kein Aufhebens gemacht. Doch die Farce war in der Welt und erregte großes Aufsehen. Wieland war gekränkt, auch wenn er sie in der eigenen Zeitschrift, dem »Teutschen Merkur«, wohlwollend besprach und sogar als »Meisterstück von Persiflage« bezeichnete, eine Großzügigkeit, die bei Goethe die beabsichtigte Wirkung tat: Sie beschämte ihn.
    In den ersten Begegnungen mit Karl August in Frankfurt und ein paar Tage später in Mainz war die Angelegenheit zur Sprache gekommen, denn mit Wieland wurde auch Weimar gekränkt – das sah vor allem Görtz so. Goethe bekundete wortreich seine Hochschätzung für Wieland und schrieb ihm auf der Stelle einen Versöhnungsbrief, den dieser freundlich beantwortete. Diese Briefe sind nicht erhalten, nur Goethes Bericht darüber an Sophie von La Roche. Von Zerknirschung findet sich dort keine Spur, allenfalls ein leises Bedauern, sich überhaupt auf Versöhnung eingelassen zu haben.
Das ist was verfluchtes daß ich anfange mich mit niemand mehr mißzuverstehn.
Knebel hatte diesen Zug an Goethe bald erkannt: »Es ist ein Bedürfnis seines Geistes, sich Feinde zu machen, mit denen er streiten kann 〈...〉 Er

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