Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
hat mir von allen denen Personen, auf die er losgezogen ist, mit ganz besondrer empfundner Hochachtung gesprochen. Aber der Bube ist kampflustig, er hat den Geist eines Athleten.«
Wenige Wochen nach dem Versöhnungsbrief erwachte Goethes Kampflust gegen Wieland wieder, als er im »Teutschen Merkur« dessen kritische Bemerkungen über die sogenannten Genie-Gesellschaften las, die er auf sich bezog. In einem Brief an Johanna Fahlmer vom März 1775 läßt er seinen Zorn aus:
Wieland ist und bleibt ein Sch–kerl
〈...〉
Ewige Feindschaft sei zwischen meinem Samen und ihrem Samen.
Ungefähr zur selben Zeit erschien wieder eine Farce, ohne Verfassernamen. Ihr Titel »Prometheus, Deukalion und seine Rezensenten«. Mit Prometheus war Goethe gemeint, mit Deukalion, dessen Geschöpf, der »Werther«, und die Rezensenten wurden zwar nicht namentlich, aber mit physiognomischen Karikaturen vorgestellt. Wieder ist auch Wieland eine Zielscheibe des Spottes. Demütig tritt er vor den großen Prometheus: »Seit Ihrer letzten Mainzer Reis’ / Sind wir ja Freunde, soviel ich weiß: / Ist’s mir vergönnt, den Sporn zu küssen?« Sich als jemand dargestellt zu finden, der sich vor dem großen Goethe erniedrigt, das war für Wieland noch kränkender als die erste Satire.
Man hielt Goethe für den Autor auch dieser zweiten Farce. Man fand sogar einen Gewährsmann, der bezeugte, daß Goethe dem Drucker die Vorlagen gebracht hätte. Goethe aber bestritt die Autorschaft und ließ eine Erklärung drucken, wonach es sein Freund Heinrich Leopold Wagner gewesen sei, der die Farce
ohne mein Zutun, ohne mein Wissen
verfaßt hätte und sie habe drucken lassen. Aber ganz ableugnen mochte er eine wenn auch unfreiwillige Mitwirkung denn doch nicht. Er gibt zu: Es sind immerhin seine Scherze, die hier nachgeahmt werden.
Auf jene Farce »Prometheus, Deukalion und die Rezensenten« bezog sich der Zorn von Görtz und seine Bemerkung, man müßte Goethe mit Ruten züchtigen. Karl August selbst nahm die Sache gelassener auf. Vielleicht schon im Dezember 1774, gewiß aber im Mai 1775, nach der Rückkehr aus Paris und vor der Heimreise, sprach er zum ersten Mal eine Einladung nach Weimar aus – die offizielle Einladung erfolgte dann im September. Die Einladung zu einem Besuch. Von einer dauerhaften Übersiedlung war nicht die Rede.
Die Gräfin Görtz wachte in den folgenden Monaten mit Argusaugen über die Geschehnisse bei Hofe. Sie berichtet in einem Brief vom November 1776 vom Zerwürfnis zwischen Anna Amalia und der jungen Herzogin, »die beiden Frauen sind sich völlig überdrüssig«, und über den Herzog teilt sie mit: »Es ist gewiß, daß er nicht mehr will, daß sich seine Mutter mit etwas befaßt«. Sie schildert die Depression der jungen Herzogin, die sich schon bald von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlt und Goethes Einfluß auf Karl August dafür verantwortlich macht. Sie war deshalb Goethe nicht sonderlich gewogen und bestand darauf, daß er nicht offiziell an der herzoglichen Tafel speisen durfte. Anna Amalia aber zog Goethe an sich, auch deshalb, weil sie sich davon erhoffte, etwas von dem zu erfahren, was bei Karl August vorging.
Die Sache hatte auch einen politischen Hintergrund, wenn auch noch nicht in den ersten Monaten nach Regierungsantritt des Herzogs, doch später. Karl August orientierte sich im Rahmen des Bemühens um Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Herzogtums eher an Preußen, was schließlich so weit ging, daß er später, auch seiner Soldatenleidenschaft zuliebe, als Generalmajor das Kommando eines preußischen Kontingents übernehmen wird. Indes suchte Anna Amalia eher Schutz beim Reich, befürwortete also eine stärkere Anlehnung an den habsburgischen Kaiser, obwohl oder vielleicht gerade weil Friedrich II. ihr Onkel war. In Goethes Briefen aus den ersten Weimarer Jahren ist von diesem politischen Hintergrund noch nicht die Rede. Als es wenige Jahre später zu Spannungen zwischen Preußen und Habsburg kommt, wird Goethe, wie Anna Amalia, eher der kaiserlichen Seite zuneigen. Goethe befand sich auch sonst zwischen dem Herzog und seiner Mutter in einer heiklen Position, da er beiden gegenüber nicht taktisch, sondern offen und vertrauensvoll bleiben wollte. Karl August gegenüber sowieso, aber eben auch gegenüber Anna Amalia, denn auch ihr gegenüber war wirkliche Zuneigung im Spiel. Von beiden Seiten. Anna Amalia war, als Goethe nach Weimar kam, eine immer noch sehr hübsche Frau von sechsunddreißig
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