Goethe war’s nicht
vollkommen gereicht. Das wäre ein Leben. Ebbelwei hemdsärmelig und ganzjährig in Gartenwirtschaften konsumieren. Unter Linden, unter Kastanien, unter Palmen – egal, Hauptsache, schnuckelig warm. Dem langen Winter hier konnte er nichts abgewinnen, auch wenn es kalendarisch erst Herbst war.
Als der Banker sich seines jägerfarbenen Lodenmantels entledigt und sich wieder zu ihnen gesellt hatte, sagte Schmidt-Schmitt: „Um noch mal auf Ihre Telefonnummer zu kommen …“
„Ja, ich habe inzwischen nachgedacht. Die letzte Reparatur liegt schon über ein Jahr zurück. Damals haben wir neue Regenrinnen bekommen, bei den alten floss das Wasser nicht mehr richtig ab. Außerdem wird unser Badezimmer oben gerade renoviert.“
„Gut, suchen Sie bitte die Rechnung raus. Oder wissen Sie den Namen der Firmen auswendig?“
„Nein, ich muss nachschauen.“
„Und die Namen von Putzfrau und Gärtner brauche ich ebenfalls.“
„Sie glauben doch nicht, dass …“
Doch der Oberkommissar ließ sich das Zepter nicht aus der Hand nehmen: „Tun Sie einfach, was ich sage.“
Der Hausherr murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, erhob sich aber und ging in sein Arbeitszimmer ins Obergeschoss.
Die beiden Freunde dachten schon, das sei aber fix gegangen, das mit dem Auffinden der Handwerkerrechnung, doch aus einem sichtlich exaltierten Fornet sprudelten folgende Worte, als er wieder ins Zimmer stürmte: „Das … das … das Auto von Gil ist weg. Ich weiß, Entschuldigung, das hätte mir schon heute Morgen auffallen müssen. Es stand die ganze Zeit genau gegenüber in der Garageneinfahrt. Ich habe eben von oben aus dem Fenster geschaut und … Das Rentnerehepaar, das dort wohnt, hat kein Auto mehr. Wir dürfen dort parken. Schon seit mehr als zwei Jahren dürfen wir dort unsere Autos abstellen. Manchmal ist hier nämlich kein Parkplatz und …“
Schmidt-Schmitt wurde es zu bunt. Er unterbrach den Redeschwall. „Piano, piano, Freunde. Vielleicht ist Gilberto gestern nach der Party ja noch in eine Disco gefahren und der Wagen steht jetzt irgendwo in der Innenstadt oder sonstwo. Was ist denn das für ein Auto?“
„Ein uralter Käfer.“
„Farbe?“
„Äh, wissen Sie …“
„Sie werden doch wohl noch die Farbe des Autos Ihres Sohnes wissen!“
„Natürlich. Entschuldigung. Gil hat das Auto angemalt. Gleich, nachdem er es sich gekauft hatte. Mehrere Farben …“
Schmidt-Schmitt: „Jetzt mal ganz, ganz langsam. Und entschuldigen Sie sich nicht immerfort. Gibt’s ein Foto von dem Käfer?“
„Nein, ich glaube nicht. Ich besitze jedenfalls keines. Also …“ Der Banker schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. „Das Dach ist gelb, die Karosserie hellgrün und die Kotflügel rot, denke ich. Nein, bestimmt, so sieht es aus.“
„Sehen Sie, geht doch“, lobte der Oberkommissar. „Dann gehen Sie jetzt bitte raus und laufen den Anton-Burger-Weg einmal rauf und runter. Vielleicht steht es ja woanders.“
„Den ganzen?“
„Besser ist das. Wir wollen doch nicht stümperhaft arbeiten.“
Fornet tat, wie ihm geheißen. Abermals streifte er sich den Lodenmantel über und verließ das Haus.
„Vielleicht haben die ihn ja mit Gils eigenem Wagen entführt“, gab Herr Schweitzer zu bedenken.
„Hm. Glaub ich nicht. Das wäre fast schon ein Novum. In der Regel benutzt man für eine Entführung doch eher einen Lieferwagen ohne Fenster hinten. So eine Reggae-Kiste ist doch viel zu auffällig.“
„Nun ja, merkwürdig ist hier eh einiges.“
„Stimmt.“ Der Oberkommissar winkte ab. „Nun gut, lassen wir das. Wir sollten uns sowieso nur darauf konzentrieren, was in unserer Macht steht, und uns nicht in Spekulationen verlieren.“
„Sag mal, willst du den Fornet nachher alleine losziehen lassen?“
„Quatsch! Ich sag’s ihm aber erst kurz vorher, sonst dreht der uns noch vollends am Rad.“
„Und ich?“
„Du hältst hier die Stellung. Aber wir werden in Verbindung bleiben.“
„Wie das?“
„Sobald die Übergabe stattfinden soll, wir also unser Fahrtziel erreicht haben, ruf ich dich auf deinem Handy an und lasse es dann einfach eingeschaltet. So kannst du vielleicht das eine oder andere mithören. Und notfalls wirklich die Bullen rufen, sollte die Chose aus dem Ruder laufen.“
Doch Skepsis war angebracht: „Sofern ich’s hören kann.“
„Ich hab das Handy am Ohr, ein Schuss peitscht durch die Nacht und spaltet meinen Schädel –
das
hörst selbst du in deinem Alter, auch
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