Goethe war’s nicht
Ich soll dir was ausrichten. Erstens soll ich dir von ihr einen Kuss geben …“
„Untersteh dich. Igitt.“
„Und zweitens sollst du hier endlich in die Puschen kommen. Mittwochabend gäbe es nämlich Hähnchen catalán und das würde auf gar keinen Fall verschoben werden. Falls du bis dahin nicht fertig bist, futtere Maria es ganz alleine, sie kenne da kein Erbarmen.“
„Glaub ich ihr aufs Wort“, sagte Herr Schweitzer mehr zu sich selbst und seufzte.
„Ich hab mich übrigens gleich mit eingeladen. Klingt nämlich verdammt lecker, euer Hähnchen catalán.“
Dem Sachsenhäuser Detektiv lief schon mal prophylaktisch das Wasser im Mund zusammen. Ersatzweise langte er nach der letzten Lachsschnitte. „Sag mal, Mischa, die Typen vom BKA, irgendwie hab ich mir die total anders vorgestellt. Nicht so, na ja, umgänglich.“
„Oh Simon, oh Simon, du guckst zu viel Fernsehen. Glaub doch nicht immer alles, was da so läuft. Natürlich gibt es auch böse Buben beim BKA, wie überall. Aber ansonsten ist die Zusammenarbeit zwischen Kripo und denen fast kameradschaftlich. Viele waren ja früher selbst mal bei unserem Verein und wurden wegen außerordentlicher Fähigkeiten dann vom BKA angefordert. Manche gehen hin, andere lehnen ab. Die Arbeit beim BKA ist zwar besser besoldet, aber auch viel zeitintensiver. Da kann’s passieren, dass du schon mal einen Monat durchmalochst, ohne dein eigenes Bett auch nur aus der Ferne zu riechen. Für mich wäre das aber nix.“
Und dann schwebte ein Engel in die Küche. Stattliche eins achtzig groß, schulterlange rotblonde Haare, ein paar putzige Sommersprossen um die Nase herum, eine Prachtfigur in knallengen Jeans und eine fesche rote Bluse. Die für eine Frau recht tiefe Stimme versprach knisternde Erotik: „Hallo, Jungs, wie geht’s, wie steht’s?! Oh, kein Lachsbrötchen mehr. Schade. Und du, du bist sicherlich der Simon. Der dicke Bulle“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu, dass das Schmelzen der Polarkappen nachgerade beschleunigte, „wie die Entführer so schön formulierten.“
Herr Schweitzer fand die Formulierung natürlich alles andere als schön, eher unpassend, hatte aber wegen der Lachsbrötchen ein schlechtes Gewissen. Schnell ließ er den letzten Happen im Mund verschwinden. „Die Mailänder Salami ist auch ganz vorzüglich“, schlug er alternativ vor.
„Ich bin übrigens die Sylvia.“
Herr Schweitzer ergriff die ihm dargebotene Hand und unterdrückte mühsam einen Aufschrei. Es waren Hände, die ganz und gar nicht zu einer zartbesaiteten Psychologin passten. Sie würden sich ganz vortrefflich dazu eignen, Kohle in Diamanten zu verwandeln. „Simon, angenehm“, versuchte er krampfhaft zu flöten. Als sie endlich den Griff lockerte, war seine rechte Hand mit weißen Druckstellen übersät.
Der Oberkommissar war wie ausgewechselt. Seine ganze Persönlichkeit befand sich im Flirtmodus. „Darf ich dir einen Kaffee einschenken?“ Wieselflink sprang er auf und öffnete eine Schranktür, um eine Tasse herauszuholen.
„Gerne, Süßer! Ich trinke ihn schwarz. Hoffentlich ist er auch stark, dein Kaffee. Nicht so eine elendige Plörre wie bei uns im Präsidium.“
Hihihi, dachte Herr Schweitzer.
Süßer!
, an der wirst du dir die Zähne ausbeißen.
Schmidt-Schmitt, ohne freien Willen mehr, schüttete den Rest, der noch in der Maschine war, in den Ausguss. „Klar, stark. So trinke ich ihn auch am liebsten. Der hier war nur für … für die Allgemeinheit.“
Sylvia lächelte ihm breit entgegen: „Fein.“ Während beim Oberkommissar Lüsternheit in den Augen glomm.
Herr Schweitzer war heilfroh, seine Maria zu Hause zu wissen. Nicht dass sie sich hier noch was abguckte von wegen
Wie lasse ich Männer nach meiner Pfeife tanzen
. Er hatte es auch so schon schwer genug, fand er und fragte: „Und Fabiana? Alles klar bei euch?“
„Tja, wie man’s nimmt. Sie ist natürlich schwer angeschlagen. Aber zum Glück schreit sie hier nicht rum. Hysterische Weiber hasse ich wie die Pest. Fast so sehr wie männliche Weicheier und Chorknaben. Ich weiß bis heute nicht, wie ich auf die bescheuerte Idee kam, Psychologie zu studieren, bei all den Ausgeflippten, die mittlerweile unsere Straßen bevölkern.“
„Oh“, bemühte sich der Oberkommissar weiterhin, „da brauchst du dir bei uns keine Sorgen zu machen. Gelle, Simon?!“
„Da fällt mir jetzt aber ein Stein vom Herzen“, entgegnete Sylvia Kravat süffisant. „Bei Herrn Schweitzer habe ich nichts
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