Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
Ende!«
    »Unterdessen: buona fortuna! «
    »Nur: arrivederci! «
    Zögernd, als der Wagen verrollt war, schritt Goethe ins Haus hinein. Ohne Wort, lächelnd, begrüßte er den Hausherrn und Hackert, küßte er Miß Harte die Hand. »Kniep? So? Das ist Herr Kniep?« Aber er sah den Mann, der wie eine Sklavin auf dem Markt zitterte, gar nicht an; schnurstraks auf Tischbein zu lief er. »Sie müssen ihn unbedingt malen, Tischbein! Unbedingt!«
    »Wen?«
    »Ihn! Das ist ein Mann!« Preßte dem Erschrockenen beide Hände, daß er in die Lippen biß, sah noch die Scham aufbäumen im gestraften Auge, – und redete kein Wort mehr. Auch nachher bei Tische nicht. Jede Farbe, jede Form, jede Kostbarkeit, Seltenheit, Extravaganz dieser vollgepfropften Räume sah er. Jedes Wort, jede Regung zum Worte, jedes Verstummen, jedes Warten auf sein Wort hörte er. Die Extravaganzen, Kostbarkeiten, Seltenheiten umstanden, umlagen ihn wie die Mumien von Jahrhunderten. Mit marmornem Blick aber zog er aus ihnen das gleiche Leben hervor, das er mit unheimlicher Bestimmtheit in ihm selber drin fühlte. Die Mienen der Menschen rundum galten ihm wie dem Orakel, das in der nächsten Minute sprechen müßte; mit wohlverschleierter Rede offenbarten sie die ungeduldige Neugier, die sie ruhig leuchten und gleichzeitig zappeln hieß. Mit unbewegtem Blick aber las er in ihnen den Tod ihrer Gegenwart, in den sie eingeschlossen waren wie in ein blindes Grab. Hamilton flehte um den Künstler, der die Kupfer, die d'Harcanville nach seinen etrurischen Vasen gestochen, zu einer Illustration der Götter- und Heroentypen des Homer verarbeitete. Hackert redete genau so peinlich sauber und glatt, wie er zeichnete, zu Miß Harte von der Inbrunst, die in der reinen Linie schwinge. Tischbein fraß mit langgestielt-gierigen Augen den Engländer fast auf; gab es, am Ende, hier einen nährenden Auftrag? Kniep, graugekleidet, zu Keinem passend, starb in Geniertheit dahin, zwischen überinteressiert lächelndem Aufpassen und gequältem Falschessen. Miß Harte aber, ob sie auch noch so rastlos hastig dahin redete und dorthin, redete doch nur – er sah es genau! – mit dem Blick steigender Wut über sein eisiges Schweigen. Königlich kam ihm das Lächeln auf die Stirn. Prachtvoll, ohne Grenzen, stieß sein Blick die Menschen durch, die Mumien durch, die Wände durch. Prachtvoll, ohne Grenzen, verließ die Glut seines Herzens, der Funke seines neu angezündeten Geistes den Augenblick und begann draußen in der Welt, die vor den durchstoßenen Räumen sich ihm entgegenwarf, wie in seiner Allgegenwart zu wandern. Quäle dich nicht, bange Seele, flüsterte der Wanderer sich zu, mit der Schlacht, die du zu jeder Stunde fechten mußt gegen die schillernde, laute, ewig neu-tätige Welt! Beruhe in dir, Geheimnis der Person, das keine Sünde und keine Tugendtat je wird verändern können! Und spiele lieber überlegen, – weil du unveränderlich bist! – mit dieser schillernden, lauten, ewig geistbekämpfenden Welt!
    »Sie sind nicht gewöhnt, mit Frauen zu speisen?«
    Leicht schüttelte er die Süße der Einsamkeit ab. Spiele, du Unveränderlicher, spiele! Wie Schauer einer kostbaren Fontäne fühlte er die Kaskade der gereizten Töne seinen Leib hinabperlen. Was kann dir noch geschehen, Unsichtbarer? Da du Vesuv, Toledo, Chaos, Wiederaufbau, Blick in die Zukunft und Casino Hamilton in einem Abend erlebst, vom sicheren Mittelpunkt deiner unzerstörbaren Seele aus? »Ich bin heute abend,« sagte er gezielt hinein in den Mund, der kirschrot böse geschürzt war über den angelsächsischen Zähnen, »in Frankfurt.«
    »Eine kleine schmutzige deutsche Stadt, I think? «
    »Ich bin dort geboren.«
    »O?«
    Mit einem Seufzer, wie abgerufen, senkte er den Blick in die Bonbons im Goldkorb. Gleich darauf ließ er sich dreimal hintereinander Champagner einschenken. Trank jedes Glas in einem Zug leer. Flüsterte in jeden Trunk hinein, völlig entrückt, schmerzlich: »Vater!«
    Und ein viertesmal, lange nach aufgehobener Tafel im Altan vor der Nacht des Golfes, – der Hausherr hatte sich mit den drei Männern bei seinen Vasen eingesperrt – flüsterte er in die Sterne empor: »Vater!« Im nächsten Augenblick, als ob aus der Kulisse, die er soeben heraufbeschworen, der Geist träte, schrak er zusammen.
    »Nein!« lächelte er im wieder nächsten diabolisch, »ich habe es erwartet.«
    Glaubend, daß sie nicht geahnt, nicht gehört würde, schritt Miß Harte – sie trug ein

Weitere Kostenlose Bücher