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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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schon weit in den Jahren und vielleicht bricht mich das Schicksal in der Mitte entzwei und der babylonische Turm bleibt stumpf, unvollendet! Neulich zeigte mir Kraus einen Stich Piranesis aus den Antichità Romane . . . . .«
    Scharf brach er ab. Sah noch im Angesicht Charlottes den Anflug von Fassungslosigkeit, der sie anhauchte und ihr die Augen weit aufriß, und hatte sich schon zurückgeschraubt. Ausatmend, wie sich selber verhöhnend, lächelte er: das Instrument gehorchte noch! »Verzeih!« sagte er milde und ergriff ihre Hand. »Ich vergaß mich und mein Alter. Es muß in der Luft liegen. Ich bin sonst« – zeremoniös wie auf dem Hofball küßte er die nichtsahnende Hand – »ein ziemlich vernünftiges Wesen.«
    »Ich habe es auch nicht ernst genommen,« lächelte sie schelmisch unschuldig und lehnte sich kaum merklich an seine Schulter. »Nicht in Rom, in magna Graecia, – dir im Herzen ist die Wonne da!«
    Das war das Gegenteil von dem, was er hören wollte! Trotzdem: als ob er sich absichtlich nicht dagegen wehrte, die Besinnung zu verlieren, folgte er ihr, legte den Arm um sie, schlang sie an sich. Zwiespältig bange und staunend hob sich die gepeinigte Brust: also wirkte das Wunder dieser Nähe noch immer! »Ja, du warst in abgelebten Zeiten meine Schwester, oder meine Frau!« kam es flüsternd, wie aus schwerem Traum von den rastlosen Lippen.
    »Wohltun möchte ich dir!« Nur ein Duft aus dem milden Licht ihrer zerbrechlichen Gestalt. »Immer!«
    »Heimat! Heimat!«
    »Wär' dir nicht die Welt zu feindlich?«
    »Sei doch du sie!«
    »Draußen im Karlsbad wollen wir's uns schön machen! Komm bald nach! Wolfgang! Sag, kommst du?« Da, mit einem einzigen Atemzug abgebrochen jede Hemmung, nur noch Sklave dieser tyrannischen Passion, stürzte er nieder zu ihren Füßen, umklammerte ihre Knie, preßte in nimmer zu bändigendem Hunger nach Einswerden, Einheit das zitternde Antlitz in die Falten der Seide, – sprang wieder auf, riß die Atemlose mit eisernen Armen an die rasende Brust, beugte sich stöhnend herab, sie zu küssen, küßte sie . . . . .
    »Um Gotteswillen!« Mit entsetztem Ruck machte sie sich frei. »Wenn jemand hereinkommt!«
    Wie von einem Wasserfall übergossen, der Eis führt und prügelt, im Nu, zwang sich seine Gestalt in die steinerne Fessel zurück.
    »Es braucht nur die Tür aufzugehen und der Skandal ist fertig!« Feuerrot, die Finger im Haar, zitterte sie vor dem Spiegel.
    »Sie ist in elf Jahren noch niemals aufgegangen!« sagte er nach langer Stille; aus unendlicher Weite.
    »Gerade deshalb!«
    Und wenn sie auch ganz genau fühlt, daß ich zugrunde gehe, irrsinnig werde in der Mühle dieser Unnatur, knirschte das getretene Herz in ihm, – wenn nur sie sich nicht kompromittiert!
    »Wie man nur so wild sein kann!« Den Triumph ihrer Macht in der Brust, das Auge strahlend von der Wohltat seiner ungebrochenen Wildheit, kam sie zurück zu ihm, lockend, todsicher. »Räuber, du! – Du! Bist du böse?«
    Er drehte sich um. Kein Mensch mehr, auch sie nicht, vermochte in diesem felsernen Antlitz noch zu lesen. »Ich bin nicht böse; wie du weißt! Soll ich an Fritzen nichts bestellen?«
    »Viele Grüße!« Wohl oder übel nachlaufen mußte sie ihm, so rasch schritt er auf die Tür zu. Aber ihr war nicht bange. Im Gegenteil! Die Szene von heute war nichts Neues. Nach jeder solchen war er, bisher, nur noch lauterer, reiner und inniger zurückgekommen. »Wie steht's mit Werther?« fragte sie neugierig noch auf der Schwelle. »Geht's?«
    »Ich finde, daß der Verfasser übel getan hat, sich nach geendigter Schrift nicht zu erschießen.«
    »Morgen scheint die Sonne wieder!« Unbesorgt – er ist doch ein Dichter! – lachte sie ihm nach in das Dunkel. »Adieu? Schlaf gut!«
    Mit taumelndem Schritt aus dem Hause heraus. »Schlafen? Ja! Schlafen!« Mit zornigem, nach bösem Auflachen, durch die schwarzen Gassen. Mit dröhnendem über das schwingende Holz der Brücke. Mit haßvoll gezieltem hinein in den Stern. »Rettungslos! Hoffnungslos! Fort! Fort! Fort! Fort!« Hart und knapp riß er die herrenlos gewordene Gestalt zusammen. Hier, unterm Himmel, ob er auch Regen warf und mit Orkanchen herumschmiß, ließ sich wenigstens atmen. »Ersticken könnt' ich von ihnen aus! Von ihr aus! Ohne Gnade ersticken!« Aber bevor noch, weil diese Einsicht so höllisch empörte, die Tränen ausbrachen, hob sich das Auge hochmütig empor; flog es hochmütig rundum. »Wer also, frage ich, könnte

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