Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
gebürstet, aber . . .
    »Ich meine nämlich, sozusagen,« wagte Herr Krantz endlich auszufallen, – brach aber auch schon wieder ab. Durfte er überhaupt anfangen, oder durfte er nicht anfangen? Als jedoch, nach einer ewigen Pause, Herr von Goethe, den Blick gierig auf der halbuntermalten Landschaft, mit gütigem Mund sagte: »Nun?«, wollte Herr Krantz sich – einmal mußte es ja sein! – nicht mehr halten lassen. Im Ton des gewissenhaften Berichterstatters begann er denn eine Chronik aller Weimarer Ereignisse, politischer, höfischer, gesellschaftlicher zu geben, die seit Seiner Exzellenz Abreise nach Italien vorgefallen waren. Hatte aber kaum ordentlich Atem dazu genommen, als die grelle Fassade eines Palastes, die durch die festverschlossenen Fenster hereinstach, die wohlabgemessene Rede ganz einfach erstach. Ja, das ist ein römischer Palast, sagte sich Herr Krantz und hob die Linke vom Degengriff an die Schläfenlöckchen. Ich bin in Rom. Wohl! Versuchte daraufhin, mit einem Ruck, den er der Kiste gab, die mißlungene Rede in Klatsch umzubiegen. »Der zweite Stock Fürstenhaus verträgt sich mit dem ersten noch immer so so. Und Wieland . . . ..«
    Da prasselte von der Straße empor ein so ohrenbetäubendes Geschrei aus so viel hunderttausend römischen Kehlen, daß auch diese zweite Rede ohne weiteres erstarb.
    »Bleiben Sie nur!« lachte Goethe gemütlich, weil Herr Krantz entsetzt aufgefahren war. »Es sind ihrer höchstens acht bis zehn. Sie haben einen Ziegendieb erwischt oder einen bajocco im Pflaster gefunden.«
    Wirr setzte sich Herr Krantz auf die Kiste zurück. Du bist in Rom! mahnte er sich zum zweitenmal. Ein fremdes Volk lebt sich zu deinen Füßen aus. Das Vergnügen, zu dem du herabkamst, scheint also eher zur Aufgabe zu werden? Und unbehaglich ward ihm. »Jawohl: Wieland, sagt man, trinke seit Neustem. Schnaps sogar! Und Herders Karoline, – nein! Zuerst das Skandälchen von den zwei Kammerfräuleins und . . .«
    »Wem?«
    Ah! Befriedigt hob sich Herrn Krantzens Gesicht. »Herders Karoline scheint ein Kind zu kriegen. Von der Gräfin Werthern-Bäuchlingen – Bäuchlingen! – erzählt man sich, . . . . Ja! Und Herr Hofrat Schiller! Herr Hofrat Schiller strebt auf Weimar zu! Mit Elan! Haben Exzellenz von seinem »Dom Carlos« schon gehört? Man sagt . . .«
    »Was sagt man?«
    Hilflos legte Herr Krantz sein Gesicht, das weder beschränkt noch leicht zu verblüffen war, nach rechts ins Jabot hinab. Und antwortete mit der dritten Rede. Seine Durchlaucht, der Herr Herzog, habe sich, nachdem Ihre Durchlaucht, die Frau Herzogin, ins Sommerbad gereist waren, zum Ausschußtage nach Eisenach begeben; sich dabei aber derart ennuyiert, wenn nicht gar empört, daß Er, wie es nachher ruchbar geworden, in einem Briefe an den Grafen Goertz . . .
    »Lebt der auch noch immer?«
    Jetzt wußte sich Herr Krantz nicht mehr zu helfen. »Exzellenz werden begreifen,« stammelte er, ausgeblasen von diesem unbegreiflichen Maler, der in sträflicher Heiterkeit weiterpinselte, »daß ein Mann, der sozusagen unmittelbar aus Deutschland nach Rom kommt, . . .«
    »Allerdings!« Kühn strich Goethe das Joch einer Brücke, das verzeichnet war, mit einem trüben Sepiaton an. »Sogar sehr gut verstehe ich das!«
    »Ich trage daher noch Weimarer Erde an den Sohlen und Weimarer Dunst im Auge. Also lieber gleich mit der Tür ins Haus, Exzellenz!« Und tollkühn begannen die Äuglein zu blitzen. »Ist es wahr, was sich Weimar erzählt? Daß Exzellenz nicht mehr zurückkehren wollen?«
    Als ob er nicht gehört hätte, strich Goethe zwei Bäume mit einer düstergrünen Tinte an. Eindringlich. Ein Tropfen Farbe spritzte daneben, in den Himmel hinein. Sogleich nahm er das Löschblatt, trocknete die Überfläche ab, setzte den Finger darauf, wischte die schönste Weile lang mit dem Ballen den Fleck.
    Endlich sagte er: »Sagen Sie mir, Krantz: wieviele Geliebte habe ich hier in Rom? In Weimar nämlich.«
    Steif wurde Herr Krantz.
    »Fortgegangen aus Weimar bin ich natürlich nur deshalb,« – nun kam das Wasser unter der Brücke dran – »weil ich silberne Löffel gestohlen habe? Nicht?«
    »Ich mußte fortgehen, weil ich in meinem Größenwahn mich Ihrer Durchlaucht, der Herzogin, zu nähern versucht habe? Nicht?«
    »Ich habe« – urvergnügt, weil Krantzens Gesicht alle Farben bekam, ward der Himmel mit einem glanzlosen Ultramarin gestrichen – »ich habe eine haarsträubende Unordnung in meinen

Weitere Kostenlose Bücher