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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Vorstellungen nicht verfügt, wird geknechtet von der nüchtern hellen Masse der alltäglichen Tatsachen. Der Verlauf jedes Tages steigert das Material der Menschenkenntnis. Die Pflicht des Amtes läßt ein zwar kleines, aber abwechslungsreiches Land erkennen. Diese Übersicht und der Überblick über die Typen der Klassenvertreter geben vereint den Besitz eines festgegrenzten Stücks Welt. Für den Verwalter ist aber gar nichts gleichgültig, was die Natur erstehen läßt. Der bedeutende Mensch wird ihm bedeutender Staatsbürger. Die Philosophien erscheinen ihm als Mächte, die er im Bürger zu stärken oder zu beschränken hat. Die Wissenschaften und die Künste erhöhen, gepflegt, die moralische Stellung eines Landes und die Fähigkeit der Bürger, Regierungs-Maximen und Maßnahmen organisch zu begreifen und zu unterstützen. Nicht weniger schwerwiegend erscheinen daneben aber Wehrkraft, Ernährung, Werterzeugung, Geldwirtschaft, – Wirtschaft überhaupt. Den Mann also, der als Künstler in das Staatsgeschäft tritt, führt das Geschäft – soferne er es gewissenhaft besorgt – von selbst in das Praktische; damit von selbst in die Naturwissenschaft. Ich unterlasse nicht, zu zeichnen; es ist aber möglich, daß das Verlangen nach Beherrschung der Formen und Umrißlinien der realen Gegenstände mehr Antrieb dazu gibt als die künstlerische Neigung, Ausdruck zu finden. Ich entdecke in Ilmenau die Notwendigkeit, mir geologische Einsichten zu verschaffen. Battys Entwässerungsarbeiten führen ins Klimatische und Geometrische. Die Osteologie drängt sich auf. Die Botanik folgt. Der Geist, der vom Künstlertum kommt, ist aber an das Streben nach Entdeckung einheitlichen Aufschlusses aus einer Hauptursache zum Zweck der Entdeckung einheitlichen Abschlusses in einer Hauptwirkung gewöhnt. Meine Beobachtungen in der Geologie, Mineralogie, Botanik, Zoologie, Anatomie und Staatsregierung drängen also nach Sammlung der Erfahrungen in Ideen.«
    Wieder setzte er aus; nun schon, ohne daß er es merkte, verzaubert von der Schau, die er sich aufgezwungen. Wie entrückt starrte er. Während in Herders Brust, vor dem wachsenden Rätsel dieser seltsamen Enthüllung, die Flut des Spottes gehemmt zurückschwoll. Vom Dunkel geschützt, saß er fröstelnd zusammengekauert jetzt, wortlos und reglos.
    »Nun die Kehrseite!« Mit Gewalt hob Goethe das Haupt; dieser Blick erst brachte die Generalbilanz! Wie vor der Meduse schaudernd, schloß sich sein Auge. »Ich kam in den schönsten Jahren nach Weimar. Ich wurde der Freund des Fürsten. Der Herzogin Seelengröße zwingt zur Verehrung. Ihr Charakter dazu, in die Freundschaft zum Gatten immer selbstloser das Mahnende zu mischen. Die Herzogin-Mutter lebt ihr Altenteilschicksal in lebhafter Empfänglichkeit für alles, was Kunst ist. Frau von Stein gewöhnt den stürmischen Naturschritt in geduldiger Lenkung an das Parkett. Wieder ist es nur selbstverständlich, daß, der Veränderung des Platzes entsprechend, die zu liebende Weiblichkeit in veränderter Gestalt entgegenkommt. Es entstehen innere Verwandtschaften und innere Abstoßungen. Zwischen beiden Vorgängen bilden sich Spannungen. Ihre treibende Kraft wird erhöht von der Schwere des nördlich ungewohnten Himmels, ausgewirkt höchstens in der naturvergebenen Einsamkeit des Gartenhauses. Der Urgrund jeder Dichtung: das menschlich empfindsame Herz, wird so an allen Fasern und Fibern neu erschüttert. Die jeden Tag füllende, immer rücksichtslosere Vielheit der neuen Pflichten aber raubt diesen Erschütterungen die Zeit, zu sichtbaren Explosionen zu führen. Der innere Kampf spielt sich unter der Oberfläche ab. Das Lied gelingt noch, wenn einmal doch ein Funke dem Panzer entschießt. Die dramatische Ader muß sich den bescheidenen Forderungen der Gelegenheit anbequemen. Die epische Prosa tobt sich im Briefe aus. Baudenkmäler von eindringlicher Sprache sind nicht da. Was an Gemälden und Skulpturen, auch nur in Kopie, erreichbar ist, auch Münzen, geschnittene Steine, Kupferstiche, getuschte Blätter, – notwendig überwichtig wird alles betrachtet und verglichen. Summa: wie sich aus der Betätigung mit der Staatslenkung ein buntes Nebeneinander von Leistungen, Erfahrungen und Begriffen im Geiste sammelt, – baut sich in ihm gleichermaßen ein Mosaik von Empfindungen, Eindrücken, Bildern und Forderungen aus der Herzens- und Kunstwelt!«
    Mit dem ganzen Gewicht des aufschnellenden Körpers, jäh, legte er sich in die Bank zurück und

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