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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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in der Brust, die ihr atemsüß lauscht, mit dem Hochgefühl des Geschöpfes erkennt: rauschest Leben wie ich! »Vita! Vita! Vita!«
    »Bin ich wieder ein Mensch? Atmet ringsumher nichts mehr als Menschheit?«
    Barhaupt, ein Lächeln, das nimmermehr starb, auf den Lippen, stieg der Andächtige die finsteren Stufen zurück. Schritt er aus dem niedrigen Modertor in den schwerdämmernden Platz. Ach, wie erzengelgut rief Piero endlich, als er den Herrn die Holzstiege in der Königin von England emporklettern sah, übers Geländer herab: »Heilige Jungfrau! Wo sind Sie so lange geblieben? Ich warte angstvoll. Seit Mittag.«
    Ja! Das ist Piero! Noch immer wie im Traum schüttelte Goethe den Kopf. Piero, die Seele von einem Menschen! » Niente paura! « Köstlich geruhsam, als käme er nun erst recht nach Hause, trat er in der düsteren Gasthofkammer ein. »Ich bin auf dem Campanile gewesen.«
    »Ah!« Begeistert ging der schöne alte Apostelkopf in die Höhe. » Spendida vista! N'e? «
    In den schwarzledernen Lehnstuhl, das einzige bequeme Möbel im Raum, ließ sich Goethe fallen. » Meravigliosa! «
    » Incommensurabile! « Diensteifrig in die Steinfließen niedergekniet, streifte Piero dem Herrn die Stiefel ab. » Indimenticabile! N'e? «
    » Indefinibile! «
    Wollüstig schmunzelnd erhob sich Piero. Holte die zweite Garnitur aus dem Schranke. Wischte mit der grünen Schürze, die er über den Hemdärmeln trug, den makellosen Glanz. Kniete nun, sehr zufrieden knurrend, zum zweitenmal nieder und zog dem Herrn die Schuhe an. So abgemessen gewissenhaft wie der Levite beim Hochamt, wenn er dem Patriarchen die purpurnen Sammetpantoffel anpaßt. » Contento? «
    »Wie spät ist es?« Die letzte Schnalle war geknöpft; leicht stand Goethe auf aus dem Stuhl.
    »Fünfe vorbei!« Aber Piero war schon beim Fenster. Indem er mit behutsamer Hand über den Vitruv strich, der symmetrisch ausgerichtet neben Tintenfaß, Kiel und Wasserglas auf dem Fenstertisch lag, griff er mit der anderen ins Freie.
    »Donnerwetter! Was für göttliche Früchte du gebracht hast!«
    Die winzigen, messingenen Ohrringchen unterm grauen Struwwelhaar glänzten. »Von der Gigiotta, der alten Kupplerin an der Mauer von San Giacomo. Mir macht sie keine Witze!« Und mit stolzen Fingern kniffe Piero in die Feigen, hob er die Pfirsiche, drehte er die Trauben. »Und all diese Schönheit für zwei Paoli!«
    Aber er hatte noch Anderes gebracht. Aus einem Henkelkorb, der mit Seegras ausgelegt war, hob er: sechs Eier, einen Ziegel Käse, ein Knöllchen Butter, zwei Weißbrote, eine gefüllte Meerspinne und eine ungeheure neapelgelbhautige gekerbte Melone. » Santo Dio! « frohlockte Goethe, dem der Saft des Pfirsichs, den er aß, von den Mundwinkeln rann, einen Luftsprung tat er auf dem mattroten Backstein. »Du fütterst mich wie eine Martinigans! Gib her!« Und stürzte, noch am Pfirsichsaft arbeitend, auf die Melone zu. Aber Piero – »nein!« sagte er einfach, seelenruhig, und ließ die Melone verschwinden. »Die bleibt für das Nachtmahl!« Und mit bestimmter Hand schloß er den Henkelkorb wieder; denn er hatte noch Anderes gebracht. Erstens ein Moskitonetz, zweitens zwei Porzellanteller, ein Salzfaß und Gabel und Messer aus Blech. Drittens ein Paar Bastpantoffel und einen knallroten gutzügigen Hosengurt. »Der, den Sie anhaben«, sagte er zur Rechtfertigung, »bricht morgen,« und die Abendessen auf Papier seien eine porconeria . Er habe mit dem Wirte verhandelt, und dieser ölige Schmutzian schließlich eingesehen, daß das Kochen von Eiern, die er nicht selber gelegt, im Hause keinen Diebstahl bedeute. Also werde er heute zu Nacht dem Herrn endlich etwas Warmes servieren können. Das Moskitonetz aber – »o nein!« beteuerte er stolz, mit überlegenem Lächeln. »Nicht gekauft etwa! Ausgeliehen!« Pietätvoll, mit den Fingerspitzen, hob er's in die Höhe, schaukelte es wie einen Brautschleier. »Die Tante Rosalia, – das heißt: eigentlich ist sie die Tante meiner Mutter – hat es mir geliehen. Esplicitamente e soltanto per voi, Vossignoria! Die Tante Rosalia nämlich habe vor elfeinhalb Jahren, als sie ihren Gatten, den Herrn Girolamo Benvenuti, verlor, – er war bei der herzoglichen Leibgarde, ein Monstrum von einem Athleten, Riesen, Giganten, » mezzodio, per bacco! « – eine Garküche aufgemacht, im rivo Orseolo, Numero 11, und als diese Garküche – sie kochte wie keine andere in Venedig die verze con scampi, »candellostia, che verze con

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