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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Marmorterrazzo, die Flügel der Türe flogen auf, drei scharlachrote Männer traten hervor: die Staatsinquisitoren. »Ich verlange, daß ich unverzüglich freigelassen werde!« begehrte Goethe mit ungebändigter Stimme auf. »Mein Schiff geht um Mitternacht, ich habe keine Minute zu verlieren!« Aber noch während er redete, nahmen ihn die Scharlachroten in ihre lautlose Mitte, führten ihn durch eine dichte, stumm würdeduftende Gasse von Purpurroten und Violetten in das zauberhaft schnell aufgerissene Gemach des Dogen. »Da ist er!« riefen sie, unter dem tausendflammigen Lüster angelangt, dem Dogen zu, der zwischen zwei maurischen Fenstern klein und hutzelig auf einem Löwenfell kauerte; ließen die Hände von Goethe und verschwanden. »Eure Herrlichkeit«, begann Goethe, ohne eine Sekunde zu verlieren, furchtlos näherte er sich dem Dogen, »es drängen mich Gründe, die zu erklären zu weit führen möchte, unverzüglich nach Rom abzureisen. Mein Schiff geht um Mitternacht. Ich stelle an Eure Herrlichkeit die Bitte . . .« Da stand der Doge bereits vor ihm. Genau unter dem königlichen Lüster, der seine Strahlen gleichmäßig auf die Arabesken des Bodens, die Gobelins an den Wänden, die Spiegel an den Ecken, die Fresken der Decke und die verstreuten Truhen, Tische, Bänke und Sitze aus Ebenholz warf, stand er vor ihm im goldenen Talar, bedeckt mit der goldenen phrygischen Mütze. »Die Signoria hat erfahren«, begann er heiser, »daß Sie unter falschem Namen in Venedig weilen. Warum?« – In fließender Rede erklärte Goethe. – »Die Signoria hat ferner erfahren,« setzte der Doge fort, und nun vermochte Goethe jeden Zug im pergamentenen zahnlosen Gesichtchen unterm weißen Käppchen zu erkennen, »daß Sie in – sagen wir, mysteriöser Weise heute abend das Schicksal einer Familie gelenkt, – besser: verrenkt haben! Denn der heimgekehrte Matteo fiel, als er an Strand trat, unter dem Messer eines eigentümlichen Rivalen: des Vaters der Braut. Er ist tot!« – Goethe taumelte. »Das ist nicht möglich!« – »Trotzdem,« hob der Doge zum drittenmal an, »will ich mich für Ihre Freiheit einsetzen, wenn Sie zum letzten Punkt der Anklage befriedigende Aufklärung zu geben vermögen. Die Signoria hat nämlich drittens erfahren« – und nun verwandelte sich der Doge. Sein Auge, bisher der Macht bewußt und völlig geschäftskalt, ward plötzlich bange und lichtlos. Wie um sich Mut zu machen, kroch es die hohe Wand empor und tastete nach dem Markuslöwen, der marmorn das Gesimse der schwarzen Tür besetzt hielt. »Die Signoria hat nämlich drittens erfahren« – zitternd kehrte das Auge zurück, in Stößen atmete die Greisenbrust – »daß Sie sich über die Republik Gedanken machen, die . . .«
    »Gedanken sind zollfrei!«
    »Nicht in Venedig!« Fein lächelte der Doge. Aber schnell starb das Lächeln. »Ich bin Paolo Renier. Man hat mir vergangenen Sommer, als mir das Mißgeschick begegnete, – Sie wissen doch?«
    »Nichts weiß ich.«
    Wie im Schüttelfrost: »Der Ring, den ich am Himmelfahrtstag nach alter Sitte ins Meer warf, wurde vom Meer nicht angenommen; er schwamm wie Holz auf dem Wasser. Man prophezeite mir darum, nur noch ein Doge werde nach mir kommen . . .«
    Einen todverachtenden Schritt näher tat er. »Sie sind ein Nordländer, also unvoreingenommen. Sie sind Minister eines Staates; also in den Bedürfnissen und Zuständen eines Staates wohlbewandert. Und treiben sich seit fast drei Wochen offenen Auges in Venedig herum. Ich – stehe am Rand meines Grabes. Es ist nichts begreiflicher, als daß ich« – mit wachsbleicher Zitterhand berührte er Goethes Brust – »als daß ich mit Grauen sterben müßte, wenn vorher, in Tat oder Gedanken, etwas geschähe, was mir den ungeschwächten Glauben an die Kraft meines Staates zerbräche. Wir sind ein Gemeinwesen, das mit folgestarrer, rücksichtsloser Despotie nur Weniger den ungeheuren Bannkreis unserer Untertanen, unserer erkriegten und erworbenen Länder, der angehäuften Schätze an Gold, Geld, Gut und Kunst – und unseren Weltruhm in Gehorsam zwingt. Venedigs Macht fürchtet die gesamte Nachbarschaft. Unsere Schiffe beherrschen die Meere des Handels. Unser Handel die Begierden Europas. Was wir an Schönheit von überallher zusammengerafft haben, die Sehnsucht jedes Strebenden. Dies alles nun, ohne jede Ausnahme, sehe ich noch fest dastehen, jeder Zukunft trotzen, – bis auf . . .« Plötzlichen Schweiß auf der Stirne,

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