Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
Untaten, Urfrevel, Gegengötter und Feinde des Menschlichen auf dem Berg Ötha von den Dämmerungen des Irdischen befreit und zum Gottgleichen verwandelt hatte, war Apoll, nur Apoll gewesen. »Erkenne dich selbst!« stand dem delphischen Tempel in die Stirne gemeißelt. »Dann aber sei du selbst!« forderte unwiderstehlich das Auge dieses Liebe gewordenen Gottes.
    Verzaubert, trunkene Fülle des Lichts über ihm und um ihn und zu seinen Füßen, schritt er, als es Mittag läutete, aus dem Palaste. Der Platz, alle seine Maße hinausgeschoben in die unwirkliche Vermählung von Bläue und Sonne, dehnte sich ins Sagenhafte. Die Geräusche des Lebens, wie unerbittlich ins süßeste Verstummen gezwungen, schwebten mit dem Glanze zitternd in der Lohe des Schemens. Plötzlich, er hatte die Kolonnaden schon im Rücken, sprach er laut vor sich hin: »Eigentlich habe ich den Geist Apolls ja schon lebendig gemacht, bevor ich hierherkam. In der Iphigenie? Es gibt keine Erlösung Orests ohne genau diesen Geist! Als ob ich geahnt hätte . . . . . .« Knapp machte er halt. »Herr Geheimerat!« hörte er rufen. »Herr Geheimerat!«
    Froh erkannte er. Leicht lief er zum Tisch der Osteria hinüber, um den die drei Gefährten saßen. »Wußtet ihr nicht,« lachte er schnell, weil ihn die schmollendsten Vorwürfe trafen, »daß ich in dem sein mußte, was . . .« – da schrie das schwarze Mädel, das eben aus dem Tor getreten war, um ihn zu bedienen, schrill auf, mit fliegenden Röcken jagte sie ins Haus zurück, » Il Santo Padre! « hörte man sie treppauf und treppab rasen, als hätte ein Trompetenstoß den Brand des Borgo verkündigt, schrie jedes Tor, jedes Fenster, jeder Gassenmund, jeder Pflasterstein im Nu: » Il Santo Padre! « und wie aus der Nacht aufgerissen, urplötzlich in die panisch leere Sonnenstille des Platzes hinein, stürzte das Volk. Unfaßlich veränderte sich der Platz. Eine heisere Glocke hatte schon seit Minuten die Feier der rastenden Luft gestört. Nun, dringend, erscholl vom Castell Sant' Angelo herüber eine andere. Diese, tyrannisch, mit drei wilden Schlägen, riß alle übrigen des Borgo mit: ein Chor von Tönen, als das Volk sich mit tollem Schwall zur tausendgebärdigen Gasse entzweigewälzt hatte, brauste über die zappelig gereckten Köpfe, verstrickte ihre gierig rote Eile mit der erstaunt zurückweichenden Würde des Platzes, beide mit dem wirren Rausch seines Klangs. Bis das Volk, wie ein Regiment, das der Blitz mit einem einzigen Strahl getroffen hat, in die Knie sank. Aus dem riesigen vergoldeten Wagen, hinter den Trabanten, die klirrend in den Schatten des violetten Obelisken hineinritten, hob sich die segnende Rechte des wunderschönen Greises. Unschuldig weiß schimmerte, vom Gold, das um die Schultern blinkte, gefestigt, der Atlas des Kleides um die leicht aufrechte Gestalt. Liebereich grüßte die Sanftmut der Augen aus dem lächelnden Antlitz, väterlich flehten die ehrwürdig bleichen Locken unterm Saum des purpurnen Käppchens. Aber der Kutscher, barhaupt, mit scharlachenem Schnürrock auf dem Bock gerade über den zwei seraphisch milden Kardinälen, die dem Greise gegenübersaßen, schwang trotz dem Verbote die geflockte Peitsche; die arabischen Schimmel flogen. In der steigenden Woge der verzückten Leiber versank der Greis. Die Garden, goldübersäte Reiter auf schaukelnden Schabracken, die Hellebarden in die blitzenden Hüften gestemmt, zügelten unnötig kriegerisch die prachtvollen Tiere. Gemach und pompös, wie der schwertrittige Molosservers dem tänzelnden Trybrachis, folgten ihnen die Kutschen des Hofstaats: die Prälaten, Monsignori und Diakone. Die letzten rollten aus dem Borgo, als die Trabanten an der Treppe von Sankt Peter ankamen. Magisch schnell ward der weißgoldene Tragsessel auf die erste Stufe gesetzt. Die Glocken verklangen. Als körperliche Kulisse stand vor der Scheibe der Sonne, über der schattig erwartenden Brust der Kirche, die göttliche Kuppel auf. Mit Schleiern von Glast umwölkten sich die Kolonnaden. Der Obelisk, als ob er den Spuk dieser Verwandlung erriete, loderte wie eine Fackel ins Hohe, – in diesem Augenblick ward das vierte Tor in Sankt Peter geöffnet. Flatternden Goldornat über dem blumenweißen Chorhemd, schwebt eine Priestergestalt, die Arme sehnend weit ausgebreitet, aus dem schwarzen Viereck hinaus in die Terrasse, hin über die Terrasse, hebt, um die Stufen hinabzueilen, schon den Fuß. . . .
    Da geschieht das Seltsame: Der

Weitere Kostenlose Bücher