Goethe
Maccaronipapp aber sie geradezu verkleistern!« Dennoch! Ja, er wage es trotzdem! Ein volles Glas Wein goß er hinab. »Ich mag auch die hiesigen tunkelosen Braten gern. Unsere herzoglich weimarischen Saucen kommen aus der Ilm! Überhaupt: sie essen eben, diese Italiener, wie die Alten aßen: das Material! – Sylvia!« Wollüstig schmunzelte er; ein verborgener Blick in die Fülle des Himmels empor, ein versteckter Atemzug, der mit gezähmtem Jauchzen den Aspekt des Platzes grüßte: ich bin da! bin lebendig da! – »Bring mir,« lachte er, »Sylvia, noch einmal Maccaroni!«
Aber als er nach der zweiten Schüssel die Früchte gegessen hatte, stellte er den Wein entschieden weg. Schob er sich vom Tische fort und senkte in rätselhaft plötzlichem Antrieb den Blick in die zitternde Sonnenwelle, die über der Laterne der Kuppel rollte. Die Freunde sahen diesen Blick. Er kümmerte sich nicht darum. Ließ den Blick festwachsen im Ätherhaften, die solide Wirklichkeit des Leibes vergessen, der ihn ausschickte, und endlich den Mut bekommen, mit der gerufenen Seele allein zu schauen. Apoll – und ein Papst? An einem und demselben Morgen? Gingen, ja gingen Offenbarungen auf, die vor diesem Morgen gar nicht ahnbar gewesen? Das Auge, von Herzschlag zu Herzschlag forschender und tapferer, machte das Antlitz ernst. Verzog den Ernst in Bewegtheit. Ward auf einmal eine Wesenheit für sich, mit der das Antlitz nichts mehr zu tun hatte. Kein Zweifel! Wie aus einer zauberhaft aufgerissenen Bühne traten Gestalten aus dem grenzenlosen Bogen des Lichts. Die einen aus der Hemisphäre zur Linken, die andern aus der Hemisphäre zur Rechten der Kuppel. Herabgestiegen langsam auf gesonderten Treppen in die Tiefe des Platzes, vereinigten sich beide vor dem gebannten Auge, zeigten ihre nackten Naturen in Körper und Seele, in Miene und Absichten, und lächelten wie mit einem einzigen Munde ihn an: Nun – wähle! Diejenigen, die den sittlichen Imperativ darstellten . . . .
Ins Schaukeln geriet der Stuhl, auf dem er saß. »Nichts!« lachte er verhüllt, weil die drei auffuhren; »ein Nickerchen nur!« Und die Augen geschlossen! Innen raste das Herz. Denn: Was bedeutete es, um Gotteswillen, daß die einen den sittlichen Imperativ vorstellten, und die anderen den Egoismus der Lebenssteigerung?
Vorsichtig öffnete er die Augen. Rasender schlug das Herz. Ungeheure Gewissenspflicht der Wahl! Nein! Zornig warf der Blick jede Vorsicht jetzt ab, jede Scham. Die einen, die den sittlichen Imperativ darstellten, die Glorie der Selbstüberwindung, – sie trugen durchaus Gesichter, die er seit langem kannte. Die Versinnbildlichungen seiner streitreichen Jahre der Aufopferung waren sie; Schauspieler der Tragödie, die er bis zur Erschöpfung erlitten. Die andern aber, die das Gebot unbekümmerter Ausbildung des eigenen Seins aussprachen, lächelnd, – Gestalten seiner Träume waren sie bis vor Wochen gewesen! Gehörten Rom an, diesem jetzt erst erreichten Rom, und boten eben deshalb dem Geiste, der zu wählen gezwungen ward, die teuflischeste Gefahr. Denn waren die einen nur noch Erinnerungen seiner Brust und seines Hirns, – die anderen besaßen nun seine Sinne! Allein! Ohne jede Nebenbuhlerschaft! Eines allerdings – laut bange geatmet hätte er am liebsten – eines allerdings war auch in Rom, was ihnen sinnenhaft gegenüberstand, Leib gegen Leib sie kritisierte: Die evangelische Idee! Nicht der Papst und die dreihundertundzwölf Kirchen und siebentausendvierhundertneunundzwanzig Priester! Die hatten mit dieser Idee nicht mehr viel zu tun. Aber eine Philosophie wie die des Evangeliums redet, wenn nicht mit Menschenstimmen, mit den Stimmen der Steine! Und wenn nicht aus pulsenden Leibern, aus gemalten! Oder saß etwa nicht da drüben im Gewirr der Paläste jene unheimliche Kapelle, jenes noch unerfüllt Ungelöste . . .?
Dennoch! »Er ist eben schön! Der Inbegriff aller Schönheit!« Laut, ohne zu wissen, daß er es tat, rief er es in den Flimmer der Luft über der Laterne hinein. »Oder?« Der Sessel flog an den Tisch vor. »Tischbein! Reden Sie!«
»Darum möchte ich ihn ja so schrecklich gerne malen!« antwortete Tischbein sofort; auch die anderen zwei sahen erleichtert den Bann weichen, der von einem aus alle bedrückt hatte. »Es wäre auch gar nicht schwer zu erreichen. Man läßt ihm durch einen Pfaffen zustecken, ein deutscher Maler sei verrückt in ihn verliebt, . . . .«
»Nein!« Ganz leise, mit dem scheuesten
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