Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
Händeauflegen zerstörte Goethe die Täuschung. »Ich meinte nicht den Papst; ich meinte den Apoll.«
    Feuerrot im Augenblick wurden sie, alle drei; bissen sich die Lippen.
    »Nicht böse sein!« Innig erstrahlte Goethes Antlitz. »Ihr dürft nie vergessen: Ihr habt ja schon alles, was ich erst empfange. Auch« – und nun wurde er rot – »auch lebte ich bisher mehr vom Geben als vom Nehmen. Das Nehmen beginnt erst.«
    »Ach was!« Heiß flammte Tischbeins nüchternes deutsches Auge auf. »Reden Sie nicht und machen Sie mit uns, was Sie wollen!« Tief beugte er sich über den Tisch, zustimmend drängten sich die zwei anderen zu seinen Seiten. »Ja! Was Sie nur wollen! Wir sind doch nur einmal glücklich darüber, daß Sie da sind! In meinem ganzen Leben habe ich keine größere Freude erlebt, als wie ich Ihren Zettel bekam, in die Locanda an der Ripetta rannte, die Türe aufriß,« – die Faust schlug er in den Tisch – »nie werde ich das vergessen: Sie saßen in einem grünen Rock am Tisch, sprangen auf, »ich bin Goethe«, sagten Sie . . .«
    Schamvoll, wie nach einem Liebesgeständnis, lehnte er sich zurück; starrte in den Himmel hinauf, und schwieg.
    »Ich bin ein Glückskind!« sagte Goethe nach lange verhaltener Pause. »Trotz allem! Aber ihr dürfet mir glauben . . . . .«
    Aber er vollendete nicht. Unbarmherzig forderte das Innere: weiter! »Kommt!« Rasch stand er auf, schob den Stuhl von sich, streckte ihnen die Hände entgegen. »Lasset jetzt mich euch führen! Hier winkt immer nach dem schönen Morgen ein noch schönerer Abend!«
    Aber als der Abend wirklich winkte, schritt er doch wieder allein. Trat er allein durchs Pförtchen im Tor in die Villa Ludovisi ein. »Wisset ihr nicht«, versöhnte das zitternde Gemüt in die Mauern der Stadt zurück die wieder verlassenen Getreuen, »daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?« »Vater!« lispelte er in einem Sturm von Reue, als das Pförtchen, ins Schloß fallend, aufknirschte im Kies. »Sei nicht böse, Vater, daß ich nicht dich damit meine, jetzt, sondern . . . . . .« Sondern? Seine eigenen Atemzüge hörte er. Die gezwungene, dennoch gezähmte Hast seiner Schritte sah er. Was trieb ihn? Wer führte ihn? Was erwartete? Bereiteten sich Höllen von Zweifeln vor? Taten sich Paradiese des Friedens auf? Öffnete sich . . .?
    Da stand er schon; festgewurzelt; unbeweglich. Ihm genau gegenüber: die Hera.
    Die Sonne war im Sinken. In der Wehmut des Scheidens, in der ungeduldigen Hoffnung, die Nacht bald überwunden zu haben, strahlte sie wie ein faustischer Geist vor der Stunde leibaufgenötigter Rast. Ein Frösteln wie zwischen halbem Winter und halbem Frühling bebte mit ihrem Feuer durch die seidenblaue Ostluft. Die kurz abgesichelten Halme im hingedehnten Gartenplan lohten mit langen schmalen Funken aus dem Rahmen von angeglühtem Stein und stumpfgrünem Buchs. Rechts, weit hinausgerückt in die Harmonie der Linien, glomm der Säulenbau der Villa vor dem Steineichenwalde. Dieser Wald, bald sanft erhoben in den Himmel mit vielgliedrigen Kronen, bald ihm entgegengereckt in strengen Senkungen, zog sich über den ganzen Hintergrund nach dem Pincio hinan. Dem Tor gegenüber aber, ihm verbunden durch einen schnurgeraden Pfad, auf dem der Kies wie Wasserzeile glänzte, drang der Wald in die Welle des Gartens vor, bildete einen schwarzgrünen Hain; aus dem Hain glotzte Dickicht.
    Vor dem Hain stand das riesige Haupt der Göttin.
    Mit gefesselten Schritten, wie schon ihr hörig, ging Goethe ihr näher. Voll, obwohl leise das Auge gesenkt, blickte sie ihn an. In stürmisch eiliger Woge flog ihr das hohe Licht aus dem flammenden Garten herauf in das Antlitz, bis empor in die herb gewölbte Krone. Stolz sprach die Stirn unter dem Bogen des Haars die Helle des Landes aus, dem sie entstammte, während das Auge, versonnen in Wolken unnahbaren Schicksals, die stille Trauer verriet, die der Mund über dem erfahrenen Kinn mit versiegelten Lippen verschwieg.
    Aphrodite, wie viele vermeinten?
    Lächeln der Wegwerfung! Das ist Hera, die wissende Gattin des ewigen Zeus! Der Garten lächelt wohl, umgeben von einer Stadt der Ruinen, die Lust der gegenwärtigen Zeit aus. Die Spuren gegenwärtiger Menschen tragen die Pfade. Die Glocke von Trinità dei monti herüber singt: Ave Maria! Aber: in diesem Haupt glüht der Funke, der die fernste und nahste Zeit in eine schmilzt, die Enden der Welt mit blutigem Faden verwebt! Was von Uranfang an das Weib der

Weitere Kostenlose Bücher