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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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Ich
musste Benno …«
    »Schon klar!«, unterbrach ich sie
schnell. Meine Hand wanderte langsam immer weiter zu Hannas Hand hinüber.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte
sie.
    »Ich bin unschuldig …«, begann ich.
    Die Beamtin in der grünen Uniformjacke
räusperte sich laut.
    Hanna sah mich mit leicht geneigtem
Kopf an. Du weißt, ich halte zu dir, ich liebe dich. Das alles sagte ihr Blick.
Ich lächelte.
    »Donnerstagabend sind wir mit Cindy
und John zum Pizzaessen verabredet«, berichtete sie, »bei den beiden zu Hause, wie
wir es schon oft gemacht haben, ganz ungezwungen, ohne Krawatte, im Holzfällerhemd!«
    Ich musste lachen. Bei unserem ersten
Pizza-Treffen mit Cindy und John in deren Wohnung in der Geleitstraße hatte ich
in feinem Zwirn mit Krawatte vor der Tür gestanden und John erschien im Holzfällerhemd.
Es wurde ein sehr schöner Abend.
    »Das heißt …?« Ich blickte zu der
Beamtin hinüber. Sie verzog keine Miene. Hanna nickte. Sie ging also felsenfest
davon aus, dass ich am Donnerstag aus dem Gefängnis herauskam.
    »Wie geht es deiner Mutter?«, fragte
ich, um das Thema zu wechseln.
    »Nicht gut«, antwortete Hanna, »sie
schläft viel. Sie muss sich ausruhen, den ganzen Stress der letzten Jahre abschütteln.«
    »Und du?«
    Hanna lächelte. »Danke. Ich komme
zurecht. Obwohl Vater mir sehr fehlt, mache ich die Entdeckung, dass ich mich …
freier fühle. Eine neue Art von Freiheit, ohne einen Kranken, den man ständig beaufsichtigen
muss. Ich traue mich noch gar nicht, das zuzugeben.«
    »Kannst du ruhig«, versicherte ich,
»dein Vater fände das bestimmt auch gut!«
    Sie wiegte den Kopf unschlüssig
hin und her. Wahrscheinlich dachte sie an die posthumen Zwiesprachen, die ich mit
meinem Vater zu führen pflegte. Hanna und ich redeten noch eine Weile über unsere
Väter und deren Bedeutung für unser eigenes Leben.
    »Wie war dein Gespräch mit Karola?«,
wollte Hanna wissen.
    »Längere Geschichte«, erwiderte
ich, »erzähle ich dir später, wenn wir mehr Zeit haben.«
    »Übermorgen?«
    Ich lächelte. »Ja, genau, übermorgen!«
    »Karola bleibt noch ein paar Tage
in Weimar, um Mutter und mich zu unterstützen. Ich muss morgen nach Leipzig fahren,
auf eine Schulung. Maropharm bringt ein neues Präparat für Diabetiker auf den Markt
und alle Pharmavertreter werden geschult. Ich komme also erst am Donnerstagabend
zurück.«
    »Und Karola versorgt deine Mutter?
Meinst du, das geht gut?«
    »Ja, ja, das klappt schon.« Irgendetwas
in ihrer Stimme sagte mir, dass noch etwas anderes dahintersteckte, aber es war
nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Dachte ich zumindest.
    »Wie geht es dir hier drin?«, wollte
Hanna wissen.
    »Na, was soll ich sagen, es ist
kein Hotel, das Essen ist fürchterlich und ich schlafe schlecht. Aber das Schlimmste
ist die Ungewissheit.«
    Hanna nickte.
    »Noch eine Minute!«, stellte die
Justizbeamtin fest.
    »Hanna …«
    »Ja?«
    »Tust du mir bitte einen Gefallen?«
    »Natürlich.«
    »Meine Mutter hat heute Geburtstag,
sie ist zu Hause in Offenbach, rufst du sie bitte an und bestellst ihr … schöne
Grüße? Aber sag ihr nicht, wo ich bin, denk dir eine Ausrede aus, bitte!«
    »Ja, mache ich …«, sagte Hanna zärtlich.
    Ich suchte ihre Hand.
    »Die Besuchszeit ist zu Ende«, ging
die Beamtin dazwischen, »bitte erheben Sie sich!«
    Ich sah Hanna noch lange hinterher,
selbst als die Tür schon ins Schloss gefallen war. Grasmann stand bereits neben
mir und wartete. »Kommen Sie«, meinte er.
     
    *
     
    Der hagere Mann hatte die Sportschuhe ausgezogen und sich geduscht.
Ein Bett, eine wacklige Kommode und ein winziger alter Fernseher waren ihm noch
geblieben in seiner Zweiraumwohnung im Erdgeschoss des Hochhauses Bonhoefferstraße
4. In der Küche gab es lediglich ein fest installiertes Waschbecken, das nicht demontiert
werden konnte, sonst hätte es der Gerichtsvollzieher wohl längst mitgenommen. Auf
dem Fensterbrett standen eine Flasche Mineralwasser und eine geöffnete Konservendose.
Er hatte die Ravioli kalt gegessen, da er keinen Herd mehr besaß. Den kleinen Fernseher
hatte er im Keller eines Nachbarn zwischengelagert. Dort war das Schloss defekt,
und er konnte ein und aus gehen, wann immer er Lust hatte. Er wollte aber nichts
stehlen. Außer ein paar Dosen Ravioli ab und zu. Das merkte der smarte Nachbar nicht,
er wohnte erst seit Kurzem hier und würde sowieso nicht lange bleiben. Diese Gegend
im Weimarer Norden war nicht sein Niveau.

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