Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut
Abdrücken von Frau Büchler – klare Sache!«
»Hmm«, machte Dr. Franke, »das kommt
mir komisch vor, zwei gleiche Gläser, jeweils mit den Fingerabdrücken, irgendwie
…«
»Was meinen Sie?«, fragte Kriminalrat
Lehnert.
»Wie arrangiert, so als … wollte jemand, dass Sie die Gläser finden.«
»Quatsch!« Meininger straffte den
Rücken.
»Welche Art Gläser waren das eigentlich?
Das stand doch in der Akte, oder?«, fragte Dr. Franke.
»Natürlich«, entgegnete der Kriminaloberkommissar,
»Gläser aus der Born-Senf-Produktion in Bad Langensalza. Wir haben uns das extra
von der Firmenzentrale in Erfurt bestätigen lassen.«
Hanna sprang auf. »Senfgläser! Born-Senf!
Natürlich, das ist es …«
Meininger winkte verächtlich ab.
»… im Mai wurde in Hendriks Wohnung
eingebrochen, meine Perlenkette wurde gestohlen – war ein Geschenk meiner Mutter.
Außerdem Bargeld und die Musikanlage.« Hanna war vollkommen aufgeregt. »Hendrik
benutzte die Born-Senf-Gläser immer im Bad, da standen zwei, ich fand das blöd und
sagte ihm mehrmals, dass ich mal zwei richtige Zahnputzbecher kaufen würde, und
plötzlich waren die Gläser verschwunden, das war nach dem Einbruch, jetzt fällt
es mir ein. Ich dachte, er hätte die Dinger endlich weggeworfen, aber der ist ja
ein Sturkopf, wir haben da nie drüber gesprochen …« Sie stockte. Auf einmal wurde
ihr klar, dass Hendrik und sie über einige Dinge nicht gesprochen hatten.
Die drei Männer sahen sie erstaunt an.
»Frau Büchler?«
»Ja?«
»Können Sie das beweisen?«
Sie überlegte. »Ich nicht. Aber
vielleicht Ihre Kollegen, die haben viele Fotos gemacht nach dem Einbruch, auch
im Bad.«
»Na und, was soll das bringen?«,
nörgelte Kommissar Klebefrisur.
»Meininger!« Lehnerts Stimme hatte
einen Befehlston bekommen. »Besorgen Sie die Fotos vom K2.«
Der Angesprochene brummte etwas
Unverständliches und verließ den Raum. Sein rechter italienischer Schnürsenkel hing
offen herunter. Hoffentlich stürzt er nicht, dachte Hanna. Jedenfalls nicht zu schwer.
Es war bereits 14 Uhr, Hanna und
Dr. Franke konnten mit Kriminalrat Lehnert in die Kantine des Polizeipräsidiums
gehen. Die Pause tat gut, das Essen ebenso. KOK Meininger durfte nichts essen, er
musste ins Archiv.
Etwa eine Stunde später war Hannas
Verdacht bestätigt. Die Fotos zeigten die Spiegelablage in Hendriks Bad, auf der
die gestohlene Perlenkette gelegen hatte, ohne die Gläser.
»Ich habe inzwischen mit Herrn Wilmut
telefoniert«, berichtete Lehnert, »er wartete gerade im Frankfurter Hauptbahnhof
auf seinen Zug nach Weimar. Er hat Ihre Aussage, Frau Büchler, bezüglich der beiden
Gläser bestätigt. Und er sagt, dass er sie nicht entsorgt hat. Alles Weitere werde
ich morgen um 10 Uhr hier im Polizeipräsidium mit ihm klären.«
»Und – was passiert jetzt mit Frau
Büchler?«, fragte Dr. Franke.
Der Kriminalrat sah Hanna an: »Sie
können gehen!« Meininger verzog keine Miene.
Lehnert hob den Zeigefinger: »Auch
wenn das kein eindeutiger Beweis Ihrer Unschuld ist. Bitte halten Sie sich zu unserer
Verfügung. Und morgen um 10 Uhr hätte ich Sie auch gerne dabei, vielleicht können
wir gemeinsam einige Dinge klären. Herr Dr. Franke, passt Ihnen die Uhrzeit?«
Franke sah ihn erstaunt an. »Danke
der Nachfrage. 10 Uhr passt.«
»Und noch eins …«, der Blick des
Kriminalrats ging von Hanna zu Dr. Franke und blieb schließlich am Kriminaloberkommissar
hängen, »… ich möchte, dass Hauptkommissar Dorst diesen Fall wieder übernimmt!«
Die Aztekenbräune wich schlagartig
einer Kalkwand.
10. Kapitel
Mittwoch, 1. September 2004. Ein Tag, der sich anfühlte wie der 9.
November.
Am Mittwochmorgen meldete ich mich wie gewohnt um 9 Uhr auf dem zweiten
Weimarer Polizeirevier in der Carl-von-Ossietzky-Straße. Die Beamten kannten mich
inzwischen und wickelten das Ganze schnell und routiniert ab. Ein Formular, zwei
Unterschriften, ein Stempel – fertig.
Ich war vom Rollplatz aus zu Fuß
gegangen, etwas Bewegung tat gut, die Morgenluft war frisch und angenehm. Auf dem
Rückweg schlenderte ich durch das Atrium, ein großes Einkaufszentrum, das vor einigen
Jahren in der unrühmlichen ›Halle des Volkes‹, wie sie Hitler einst genannt hatte,
eingerichtet worden war. In einem Café im ersten Stock nahm ich in Ruhe einen Espresso,
nach den zwei Tassen zu Hause nun die dritte – von daher ein normaler Vormittag.
Dabei las ich die Thüringer Allgemeine.
Ich hatte noch genügend Zeit
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