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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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sachlich. Und er war ein
hochrangiger Experte des Bibliothekswesens. Kein Vergleich zu meinem exaltierten,
selbstverliebten und chaotischen Professor in Frankfurt. Vermutlich war der noch
chaotischer als ich, und das will schon etwas heißen. Ich schnappte meine Akten
und ging schnurstracks in Knoches Büro.
    »Herr Wilmut, Sie genießen hier
weitgehende Freiheit. Sie dürfen arbeiten, wann und wo Sie wollen, aber dass Sie
sich so lange nicht in der Bibliothek sehen lassen, nur mal kurz am Samstagnachmittag
reinschneien…, und dann dieser mysteriöse Anruf von Stadtrat Kessler … Also, was
ist los?«
    Nun half nur noch die Wahrheit.
»Ich war im Gefängnis!«
    Knoche schüttelte unwirsch den Kopf.
»Nun setzen Sie sich erst einmal und reden Sie keinen Unsinn!«
    Es dauerte eine Weile, bis ich ihn
davon überzeugt hatte, dass ich wirklich im Gefängnis war, dass ich des Mordes verdächtigt
wurde, inzwischen aber aus dem Schneider war. Fast jedenfalls – aber das sagte ich
nicht. Um wirklich glaubhaft zu sein, musste ich die komplette Geschichte noch einmal
erzählen. Inzwischen nun zum vierten Mal. Vielleicht war es auch die fünfte Wiederholung,
ich hatte vergessen mitzuzählen. Es machte keinen Spaß, sich andauernd für etwas
rechtfertigen zu müssen, das man nicht getan hatte. Ich bat Dr. Knoche, alle Informationen
vertraulich zu behandeln, bis der Mörder gefasst war. Er war verwirrt. Und beeindruckt.
Wahrscheinlich wusste er nicht so recht, ob er mir vertrauen konnte und ob er mir
helfen sollte.
    »Kann ich Ihnen irgendwie …beistehen?«,
fragte er langsam.
    »Im Moment nicht, danke. Ich melde
mich, falls ich Hilfe brauche.«
     
    Nach dem Gespräch ging ich zurück in mein Büro. Es fiel mir schwer,
aber ich musste mich um die Suche nach BB618c kümmern, Siggi hatte es mir ja eingebläut.
Ich öffnete den roten Aktendeckel und breitete alle Papiere, die mit dem Fall Balow
zusammenhingen, vor mir aus. Ein Blatt mit dem Kassibertext, auf dem ich wild herumgekritzelt
hatte, eine Karte von Weimar, mit Tiefurt, Kromsdorf und Denstedt, und verschiedene
Ausdrucke aus dem Internet, unter anderem zu Papst Gregor und Wiesbaden-Frauenstein.
Auch der selbstverliebte Goethe-Text war dabei. Als ich mich gerade etwas eingedacht
hatte, öffnete sich meine Bürotür. Ich hob den Kopf. Albert Busche. Ich fühlte mich
gestört.
    »Was gibt’s?«
    Er trat näher. »Der Herr Wilmut,
wie immer die Höflichkeit in Person!«
    »Meine Güte, Entschuldigung, ich
bin beschäftigt …«
    »Was ist denn da so wichtig?«, rief
Busche, und ehe ich es verhindern konnte, hatte er das Blatt mit dem Kassibertext
in der Hand.
    Ich verdrehte die Augen.
    »Aber Herr Wilmut«, meinte Busche
oberlehrerhaft, »so schreibt man doch nicht unsere Zeitschriftencodierungen. Wenn
schon, dann wenigstens korrekt …«
    Er kritzelte etwas auf den Blattrand
und reichte es mir: Bb6:18[c].
    »Im Übrigen, wenn Sie diesen Text
suchen, müssen Sie bis nächste Woche warten, die historischen Zeitschriften befinden
sich im Rokokosaal, da darf heute niemand mehr hinein!«
    Es dauerte einen Moment, bis ich
begriff, was er gesagt hatte.
    »Haben Sie das verstanden, Herr
Wilmut?«
    »Äh, ja, Herr Busche, ich meine
… von welchem Text sprechen Sie eigentlich?«
    Jetzt verdrehte Busche seinerseits
die Augen. »Na, von dem hier: Bb6:18[c], den meinen Sie doch wohl, oder?«
    Ganz langsam erhob ich mich. »Sie
meinen … also, wenn ich Sie richtig verstanden habe …«
    »Was stammeln Sie denn so rum, Wilmut?
Das ist das Kürzel für eine historische Zeitschrift aus dem 18. Jahrhundert, gehört
zu einer speziellen Serie, die die Bibliothek damals übereignet bekam. Der Mäzen,
ein Graf von Maltriz, verlangte, dass seine Stücke separat katalogisiert werden,
deswegen die ungewöhnliche Katalognummernstruktur. Na ja, so was wissen Sie eben
nicht!«
    »Stimmt. Außerdem sind Sie ein Organisationsgenie,
Busche, was man von mir nicht gerade sagen kann.«
    »Ich stelle fest, dass wir zum ersten
Mal einer Meinung sind.«
    »Schön«, murmelte ich, während ich
das Blatt studierte. »Sagen Sie, Busche, wenn wir diese Nummer haben, können wir
… also, ich meine, können Sie dann auch den Titel in unserem Computersystem einsehen?«
    »Selbstverständlich!«
    Da war es wieder, dieses Gefühl
des besonderen Augenblicks.
    »Würden Sie bitte …«
    Albert Busche sah mich erstaunt
an. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie schon einmal bitte zu mir gesagt
hätten.«
    »Na, na,

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