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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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waren Absperrungen, Bauzäune und kleine Materialdepots. Wir ignorierten die Absperrungen und suchten einen Weg ins Gebäude – keine Chance. Hanna schlug vor, die Polizeikollegen um Hilfe zu bitten, doch ich war überzeugt, dass diese mit der Suche nach Cindy jetzt Wichtigeres zu tun hatten. Links des Wohnhauses führte ein großer Torbogen zu einem Hinterhof, der von mehreren alten, teils baufälligen Gebäuden gesäumt wurde. Von hier aus inspizierte ich die Rückseite des Herderhauses, allerdings war auch hier keine Zugangsmöglichkeit zu erkennen. Schließlich bemerkte ich einen Trampelpfad zu einem alten Nebengebäude. Wir folgten dem Weg. Die Tür war angelehnt, sie war so verzogen, dass sie nicht mehr geschlossen werden konnte. Wir sahen uns an. Ich zögerte kurz, dann schob ich die Tür langsam auf. Hanna und ich betraten das Gebäude.

     
    *

     
    Ehe sie wusste, was geschah, zerrte er sie die Kellertreppe hinunter. Die schwere Holztür fiel ins Schloss und keiner konnte mehr ihre Schreie hören. Er versuchte, sie zu beruhigen und redete sie dabei fortwährend mit Christiane an. Sie nannte ihn nur ›damn idiot‹.
    Immer weiter zog er sie die Treppe hinunter. In einem halbherzig aufgeräumten kleinen Kellerraum deutete er auf eine Matratze, die in der Ecke auf dem Boden lag, und befahl, sie solle sich dort hinlegen.
    Sie antwortete nicht und blieb stehen. Er lief kurz in den Nebenraum und kam mit einer Statue zurück. Es war eine kleine Bronzefigur auf einem Holzpostament. Dies sei ein Geschenk, erklärte er. Am liebsten hätte sie die Statue in die Ecke geworfen, doch trotz ihrer Angst registrierte sie, dass es sich um ein wertvolles Stück handeln musste. So beschloss sie, sich zunächst ruhig zu verhalten. Vielleicht konnte sie auf diese Weise mehr bewirken.
    Dann legte sie sich hin. Er brachte ihr einige Dosen mit Fertiggerichten, einen Dosenöffner und Wasser. Dann verschwand er.
    Langsam wurde sie müde. Sie schlief ein, erwachte wieder und schlief erneut ein. Der Raum hatte kein Fenster, sodass sie nicht wusste, ob es Tag oder Nacht war. Sie aß von dem kalten Bohneneintopf und trank von dem Wasser. Sie fror. Eine Decke gab es nicht, auch kein Kissen. Sie schlief trotzdem wieder ein.
    Als sie erwachte, erschrak sie, denn er saß neben ihr. Offensichtlich hatte er sie beobachtet. Ja, dachte sie, er hat mich im Schlaf beobachtet, wie Christiane auf dem Sofa. Der Besuch. Endlich wurde ihr klar, was hier vor sich ging.
    Er sah schlecht aus. Ungekämmt, mit dunklen Ringen unter den Augen. Fast hatte sie Mitleid mit ihm. In diesem Moment hörte sie Stimmen von oben. Sie warf ihm einen Blick zu. Er hatte es auch gehört. Langsam schlich er aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu, der Riegel fiel ins Schloss.

     
    *

     
    Das Gebäude stand leer, niemand war zu sehen, es gab keine Anzeichen dafür, dass sich hier jemand aufhielt. Wir horchten angestrengt nach Geräuschen, doch es war totenstill.
    Der Flur war eng und mündete zur Hausmitte hin in ein großes Treppenhaus. Wir spähten vorsichtig durch die Türen im Erdgeschoss. Alte, kaputte Möbel, herunterhängende Tapeten, Schimmelgeruch, keine Anzeichen von eventuell hier lebenden Menschen. Hanna lachte über einige lustige Sprüche an den Wänden. Vorsichtig betrat ich die Treppe nach oben. Die Holzdielen knarrten. Ich war inzwischen überzeugt, dass niemand im Haus war und wurde mutiger, ignorierte das Knarren und stieg zügig hinauf. Im ersten Stock bot sich das gleiche Bild: verlassene Räume ohne Inventar in einem völlig heruntergekommenen Zustand. Wasserrohre standen aus der Wand, nicht isolierte Elektrokabel hingen von der Decke, die Türen waren teilweise gesplittert, die Fenster schief mit zerbrochenem Glas. Plötzlich nahm ich Stimmen wahr. Sie kamen aus dem Erdgeschoss. Erst jetzt merkte ich, dass Hanna mir nicht nach oben gefolgt war. Ein Gefühl der Panik stieg in mir auf, ohne Vorwarnung, genauso schnell und schwallartig wie die Übelkeit auf dem Fabrikdach in Oberkochberg. Ich stürmte zur Treppe.

     
    *

     
    Er schlich die Kellertreppe hinauf und öffnete leise die Tür. Vorsichtig lugte er durch den Spalt. In etwa fünf Meter Entfernung sah er eine blonde Frau vor der Treppe stehen. Er kannte sie nicht, er wusste nur, dass sie seinen Plan gefährden konnte. Sie war attraktiv. Weibliche Figur, ein leichtes Sommerkleid. Sie gefiel ihm.
    Plötzlich kreuzten sich ihre Blicke. Blitzschnell schoss er auf sie zu und hielt ihr das

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