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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Magier, die sie praktizieren, als Meister der Illusion. Sie manipulieren den Geist eines Menschen, um seine Wahrnehmung für kurze Zeit zu verändern, was ihnen mal mehr, mal weniger gelingt. Das wollte ich dir irgendwann auch beibringen, Yan. Aber du bist viel weiter gegangen. Du hast das innerste Wesen gesehen. Du bist stark genug, um einen Geist in seiner ganzen Gestalt zu erfassen. Also hast du logischerweise die Fähigkeiten eines Erjak.«
    »Ich weiß und sehe überhaupt nichts von alldem«, wandte Bowbaq ein. »Aber ich kann es trotzdem …«
    »Yans Fähigkeiten sind tausendmal stärker«, sagte Corenn ernst. »Im Prinzip kann er noch viel mehr als nur Gedanken lesen. Er kann sie kontrollieren.«
    Grabesstille trat ein. Dieser Gedanke gefiel Yan ganz und gar nicht. Die Magie stellt dich nicht über andere Menschen, hatte ihm Corenn einmal gesagt. Sie macht dich für sie verantwortlich. Und diese Verantwortung war soeben um ein Vielfaches gestiegen.
    »Das bedeutet auch, dass du Magier werden kannst, Bowbaq«, fügte Corenn hinzu. »Ich kann dich unterrichten, wenn du möchtest.«
    »Muss ich?«, fragte der Riese schüchtern.
    »Nein, natürlich nicht!«
    »Dann will ich lieber nicht, Freundin Corenn. Ich glaube, ich würde es nie lernen. Und außerdem ist mir das viel zu gefährlich.«
    Niemand widersprach. Selbst wenn er nur halb so viel Macht besäße wie Yan, wäre jeder Fehler tödlich.
    Plötzlich ging die Tür auf, gerade so weit, dass Hulsidor seinen Kopf hindurchstecken und sie schroff zum Aufbruch mahnen konnte.

    »Wer nicht in zwei Dezillen vor der Tür ist, bleibt hier, damit das klar ist.«
    Die Erben sprangen auf, um ihr Gepäck zu holen. Es galt als abgemacht, dass sie Sapones Gastfreundschaft nach ihrem Abstecher in den Tiefen Turm nicht mehr beanspruchen würden.
    Corenn fand dennoch Zeit, ihrem Schüler einen letzten Rat zu geben. »Größere Macht bedeutet auch größere Gefahr, Yan. Versprich mir, solche Experimente nie wieder zu wagen, wenn ich nicht dabei bin.«
    »Da könnt Ihr unbesorgt sein. Das war mir eine Lehre.«
    »Nur eins noch … Hast du tatsächlich etwas aus Grigáns Gedanken herausgelesen? Oder hattest du nur den Eindruck, es tun zu können?«
    »Ich habe nichts gesehen«, antwortete Yan nach kurzem Zögern. »Nichts Bestimmtes.«
    Er hasste es, lügen zu müssen. Aber trotz seiner Unbedarftheit wusste er, dass es keine gute Idee war, ihr zu verraten, dass Grigán an eine Frau gedacht hatte.
    Eine Frau, die nicht Corenn gewesen war. Eine Ramgrith.
     
     
     
    Der Bibliothekar hatte sich das Gesicht, die Hände und die Arme mit okkulten Motiven bemalt. Die Brust schützte er mit einem Kettenhemd, das er unter seinen Gewändern trug, den Kopf mit einer Kappe aus Stahl, die von einer Kette festgehalten wurde. Zu guter Letzt hängte er sich ein Schwert um, das länger war als das von Grigán.
    »Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr das braucht?« In Reys Frage schwang ein Hauch Spott mit.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Hulsidor im Brustton der
Überzeugung. »Wie soll ich als Bibliothekar denn ohne ein Langschwert effektiv arbeiten können?«
    »Sehr richtig«, pflichtete ihm der Schauspieler bei, ohne eine Miene zu verziehen.
    Hulsidor zuckte mit den Schultern und verließ das Haus durch die Hintertür, wie es Sapone verlangt hatte. Die Erben fassten sich ein Herz und folgten ihm.
    »Der Kerl spinnt«, flüsterte Rey Lana zu.
    Die Priesterin begriff nicht, was ihn daran so erheiterte. Sie prüfte, ob die Bänder ihres neuen Kleides fest geknüpft waren. Zum ersten Mal seit über fünfzehn Jahren trug sie etwas anderes als das Gewand der eurydischen Priester.
    »Es ist nebelig«, grummelte Hulsidor, als er sich draußen umsah. »So kommen wir zwar unbemerkt durch die Stadt, aber die Muffensauser werden ihre helle Freude haben.«
    »Sind das Gespenster?«, fragte Bowbaq und wurde bleich vor Angst.
    »Ja, eine von vielen Arten. Daneben gibt es noch die Kragenwürger, die Bücherbolde, die Schädelknacker und so weiter. Und die Heulfurien. Die Heulfurien verabscheue ich. Versucht bitte, die Heulfurien nicht zu ärgern.«
    Der Riese beschloss, sich freiwillig zum Wachestehen zu melden. Er würde es mit allem und jedem aufnehmen, solange es ein menschlicher Gegner war, im Notfall auch mit einem Zü. Aber gegen Geister kämpfen … Die unheimliche Stimmung, die der dichte Nebel in den Straßen von Romin hervorrief, machte ihn nur noch unruhiger. Seinen Freunden ging es nicht anders.

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