Götterbund (German Edition)
Yanna mit aller Kraft zu wehren versuchte. Nicht schon wieder. In letzter Zeit passierte das wirklich oft.
Yanna schloss die Augen und atmete den frischen Waldgeruch ein. Langsam zog sich die Traurigkeit zurück, doch die Leere blieb. Vielleicht sollte sie mit Thoran darüber reden. Die Kräutermischung schien nicht mehr die Wirkung zu erzielen, die sie sollte. Seit Yanna denken konnte, hatte sie regelmäßig diese negativen Gefühlsschübe. Irgendwann hatte Thoran entdeckt, dass diese durch einen Sud aus beruhigenden Kräutern eingedämmt und manchmal sogar verhindert werden konnten. Seitdem trank Yanna dieses bitter schmeckende Gebräu alle zwei Tage. Aber in letzter Zeit kamen Situationen wie eben immer häufiger vor. Das schlimmste war das Gefühl des Alleinseins, das selbst blieb, nachdem die Traurigkeit wieder zurückgegangen war. Langsam ließ sich Yanna auf den Boden sinken. Was für ein Unsinn. Sie wusste, dass sie nicht allein war. Sie hatte ihren Großvater und Malyn. Und Ehliyan.
Yanna schlang ihre Arme um sich selbst. Sie wusste, dass sie keinen Grund hatte, so zu fühlen. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Es war, als würde ihr etwas fehlen. Etwas Wichtiges, ein Teil von ihr.
Thoran vermutete, dass die Leere von dem frühen Tod ihrer Eltern herrührte. Yanna hatte sie nie kennen gelernt. Sie waren ebenfalls Rebellen gewesen, hatten diese Organisation sogar mitgegründet. Ihr Vater war im Kampf mit einem Gardisten gestorben, als Yanna noch nicht einmal auf der Welt gewesen war. Ihre Mutter hatte einige Monate später während der Niederkunft den Tod gefunden.
Langsam ließ die Einsamkeit nach und Yanna konnte wieder frei atmen. Sie rappelte sich hoch und schloss das Fenster. Sie würde Thoran sagen, dass sie den Kräutersud ab sofort jeden Tag zu sich nehmen wollte.
Nach der Flucht von seiner eigenen Veranda hatte Shaquess vor dem Haus im Schatten gewartet. Hatte die beiden Rebellen beobachtet, als sie kurz darauf durch die Tür gekommen und sich gen Armenviertel entfernt hatten. Seitdem stand er hier, hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Dieses Mädchen…. Beim Anblick ihrer Augen war ihm ein Gedanken durch den Kopf gegangen, der zu kühn erschien, um wahr zu sein. Und doch zweifelte Shaquess nicht an seiner Wahrnehmung. Er hatte richtig gesehen.
Jetzt blieb nur noch zu entscheiden, was er mit seinem neu gewonnenen Wissen anfangen sollte. Gleich nachdem er die Frage geklärt hatte, wie es überhaupt zu dieser Situation hatte kommen können. Warum brachen die beiden Rebellen ausgerechnet in sein Haus ein? Auf der Suche nach einer Liste, die sich noch nie in seiner Obhut befunden hatte? Und dann war einer dieser Rebellen zufällig ein Mädchen mit so außergewöhnlichen Augen, dass Shaquess die Wahrheit sofort erkennen musste.
Allerdings schien es, als wäre er da der Einzige. Ehliyan zumindest hatte es nicht begriffen, als er den Rebell offen auf die Augen des Mädchens hingewiesen hatte. Und das, obwohl er sie schon länger zu kennen schien und auch Rajatshas schon mehr als einmal begegnet war.
Nein, Shaquess glaubte nicht an einen Zufall. Ob Malyn etwas damit zu tun hatte? Jeder wusste, dass der ehemalige Gardist den Rebellen angehörte. Shaquess war sogar zu Ohren gekommen, dass Malyn den Posten des Anführers innehatte. Das bedeutete, dass er auch das Mädchen kannte. Und genau wie er selbst würde Malyn die Wahrheit in dem Moment erkennen, in dem er ihr das erste Mal in die Augen blickte. Ohne Zweifel: Malyn wusste es. Und ihm war klar, dass Shaquess es ebenfalls sehen würde. Wenn Malyn zuließ, dass sie in sein Haus einbrach und ihm begegnete, nahm er auch ihre Enttarnung in Kauf. Oder aber er wollte, dass das Mädchen erkannt wurde. Und dass Shaquess Rajatshas davon berichtete. Doch zu welchem Zweck?
Shaquess stieß sich von der Hauswand ab.
Er würde mitspielen, vorerst. Und sehen, was passierte.
„Casaquann!“ Rajatshas zitterte vor Anspannung und Wut. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, auf und ab zu marschieren. Es war ungeheuerlich. Was Shaquess ihm berichtet hatte…. Doch noch viel ungeheuerlicher war die Reaktion seiner Mutter gewesen. Natürlich hatte auch er dem Taissin anfangs keinen Glauben geschenkt. Schließlich war Shaquess immer noch Shaquess, höchster Taissin hin oder her. Ihm traute er durchaus zu, dass er ihnen solch eine Geschichte erzählte, nur um sich an ihrer Reaktionen zu ergötzen. Doch Shaquess hatte auf seiner Beobachtung beharrt. Wieder
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