Götterbund (German Edition)
dass Rajatshas, wenn er sie dort sah, sich umentscheiden und sie wieder festnehmen lassen könnte.
Darum machte Yanna sich jedoch keine Sorgen. Sie wusste, dass Rajatshas das nicht tun würde. Sie sah seinen Blick, als er sie hatte gehen lassen, noch genau vor sich. Er war fertig mit ihr, ein für alle Mal.
„Wo warst du gestern Abend?“
Überrascht sah Yanna auf. „Du redest wieder mit mir?“ Seit der Sache mit Lyza hatte der junge Mann kein Wort mehr mit ihr gewechselt.
„Ich habe gesehen, wie du gestern Nacht heimgekommen bist. Wo warst du?“
Yanna seufzte. Sie hätte wissen müssen, dass ihr nächtlicher Ausflug nicht unbemerkt geblieben war. Aber sie hatte Shaquess unbedingt von ihrem Gespräch mit Malyn erzählen wollen. Davon, dass er zwar unglaubliche Fähigkeiten besaß, sie aber nicht nach Belieben anwenden konnte. Und dass tatsächlich er es gewesen war, der in Rajatshas’ Erinnerungen herumgepfuscht hatte.
„Bekomme ich heute noch eine Antwort?“
„Nein.“
„Ich will es aber wissen!“
„Und ich hätte gern gewusst, was ich dir getan habe, dass du seit gestern nicht mehr mit mir sprichst!“
„Du weißt selbst, was du getan hast“, knurrte Ehliyan. „Du hast mit Lyza über mich geredet!“
„Und?“ Yanna hatte geahnt, dass dies der Grund war. Obwohl es ihrer Meinung nach keinen Sinn ergab.
„Und? Du hast dich nicht in meine Angelegenheiten einzumischen!“
„Dasselbe tust du doch gerade bei mir.“
„Weil du dich mit einem Taissin triffst!“
Die junge Frau musterte Ehliyan scharf. Wusste er es oder stellte er lediglich Vermutungen an?
„Ich durchschaue dich, Yanna. Bevor du Shaquess kanntest, hast du dich nie nachts davongeschlichen. Es kann nur um ihn gehen.“
„Du irrst dich.“ Sie wusste selbst nicht, warum sie log. Sie schämte sich nicht dafür, dass sich zwischen ihr und dem Taissin eine Art Freundschaft entwickelt hatte. Aber sie wusste, dass Ehliyan, Malyn und möglicherweise sogar Thoran eine andere Meinung dazu haben würden.
„Du lügst.“
Yanna zuckte mit den Achseln.
„Bist du verrückt! Er ist ein Taissin!“
Inzwischen hatten sie die Treppe erreicht, die hinauf zum Palast führte. Unzählige Menschen drängten nach oben.
Yanna beschleunigte ihre Schritte, doch Ehliyan ließ sich nicht abhängen.
„Ich werde es Malyn erzählen“, zischte seine Stimme an ihrem Ohr.
Yanna lachte spöttisch auf. „Mit ihm redest du doch auch nicht mehr. Und selbst wenn: Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste!“
Sie ließen sich mit der Menschenmenge um den Palast herum treiben. Anders als bei Schelashs’ Trauerfeier standen diesmal keine Gardisten auf dem Platz, um einen Gang inmitten der Menschen freizuhalten. Stattdessen bildeten sie eine gerade Linie vor der Treppe, die zum Palasteingang hinauf führte.
Ohne Yanna eines weiteren Blickes zu würdigen, stürzte Ehliyan sich in die Menge. Die junge Frau folgte ihm und bekam prompt mehrere spitze Ellenbogen in den Bauch gerammt. „Wo willst du hin?“, zischte sie.
„Dahin, wo wir gut sehen können, aber schlecht gesehen werden. Was denkst du denn?“ Als Ehliyan abermals von ihr wegstrebte, griff Yanna schnell nach seinem Arm und ließ sich von ihm mitziehen.
„Lass mich los“, raunte Ehliyan sie schon einen Moment später an. „Wir bleiben hier stehen.“
Yanna sah sich um. Sie musste zugeben, dass ihr schlecht gelaunter Mitbewohner einen guten Platz ausgewählt hatte. Sie standen recht weit vorne, jedoch etwas abseits, so dass sie gut sehen konnten, es aber unwahrscheinlich war, dass Rajatshas’ Blick auf sie fiel.
Neugierig stellte sich Yanna auf die Zehenspitzen. Ob Shaquess unter den Gardisten war?
„Das kann nicht dein Ernst sein!“ Wütend funkelte Ehliyan sie an. „Hältst du selbst hier noch Ausschau nach deinem Liebhaber? Reicht es dir nicht, dass du ihn nachts heimlich besuchst?“
„Er ist nicht mein Liebhaber!“ Empört wandte Yanna den Blick von den Gardisten ab. Shaquess war ohnehin nicht unter ihnen. „Nur weil du dir deine Gefühle für Lyza nicht eingestehen kannst, musst du das nicht auf mich und Shaquess projizieren!“
„Ihr beiden seid immer noch die Alten, wie ich sehe.“
Yanna wirbelte herum und sah in die großen blauen Augen einer gleichaltrigen Frau.
„Emyla.“ Das erste Mal an diesem Tag sah Yanna Ehliyan lächeln. Stürmisch umarmte er die andere Frau. „Schön, dich zu sehen. Was machst du hier?“
„Ich will mir natürlich die
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