Götterbund (German Edition)
Freunde nichts zu tun hatte.
Plötzlich sprang Shaquess auf, umrundete den Tisch und zog Yanna auf die Füße. Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
„Ich hätte es aber gewesen sein können. Es war nur Zufall, dass ich zu jener Zeit keinen Dienst hatte. Hätte Rajatshas es mir aufgetragen, hätte ich deine Freunde festgenommen.“
Yanna schüttelte heftig den Kopf und versuchte, sich aus Shaquess’ Griff zu befreien. Doch er hielt sie eisern fest.
„Mach dir nichts vor, Yanna“, sagte er und schien sie mit seinem Blick durchbohren zu wollen. „Wir stehen nicht auf derselben Seite. Ich hätte deine Freunde retten können, aber ich habe es nicht getan. Vergib’ mir nicht so leichtfertig.“
„Warum hast du ihnen nicht geholfen?“, flüsterte Yanna.
„Weil ich mir bei Rajatshas keinen weiteren Fehltritt erlauben kann.“
„Dir war deine Stellung als Taissin wichtiger, als drei Menschenleben zu retten?“
„Ja.“ Doch da war etwas in Shaquess’ Augen. Eine Unsicherheit, die zu der Härte, mit der er dieses eine Wort ausgesprochen hatte, nicht passen wollte.
„Du hättest sie gerne gerettet, nicht wahr?“
Eine Weile starrte er sie einfach an. Yanna kam es wie eine Ewigkeit vor. „Ja. Und es tut mir aufrichtig leid, dass ich es nicht getan habe.“
„Warum hast du ihnen nicht geholfen?“
„Du würdest es nicht verstehen.“
„Aber ich will es verstehen. Ich muss es verstehen!“
„Rache.“
„Rache? Das ist alles?“ Enttäuscht versuchte Yanna abermals, sich aus Shaquess’ Griff zu befreien.
Doch der Taissin schien noch nicht gewillt, sie los zu lassen. „Würdest du im Moment nicht auch alles dafür geben, dich an Rajatshas für den Tod deiner Freunde rächen zu können?“
Yanna öffnete den Mund um klarzustellen, dass sie ihre Rache niemals über ein Menschenleben stellen würde. Dann dachte sie an den Moment vor der Hinrichtung, als sie Rajatshas gedroht hatte, dass sie ihn töten würde. Sie hatte es ernst gemeint. Und sie wollte es immer noch. Doch würde sie Unschuldige sterben lassen, nur um ihrer Rache willen? Sie konnte es sich nicht vorstellen, doch musste zugeben, dass sie im Moment nicht ganz sicher war. „Es ist falsch“, sagte sie trotzdem. „Rache sollte nicht wichtiger sein, als unschuldige Menschen. Und sie sollte nicht bestimmen, wer du bist!“ Yanna hatte sich in Rage geredet. „Du solltest dein Leben so verbringen, wie du es möchtest und dich nicht für Rache in die Dienste eines Königs stellen, an dessen Regierungsweise du nicht glaubst!“ Endlich gelang es ihr, sich von Shaquess loszureißen.
Mit regungslosem Gesicht beobachtete der Taissins, wie Yanna mehrere Schritte zurückwich. Schließlich sagte er: „Du hast Recht. Tatsache ist jedoch, dass mir im Moment nichts wichtiger ist, als meine Rache.“
„Dann tust du mir leid.“ Im selben Moment wusste sie, dass das nicht stimmte. Nicht Shaquess tat ihr leid, sondern sie selbst. Es fühlte sich an, als würde der zerstörerische Wunsch nach Rache sich durch ihren gesamten Körper fressen und dabei alle anderen Gefühle restlos entfernen. Sie wollte nicht werden wie Shaquess, wollte nicht den einzigen Sinn ihres Lebens in der Rache an Rajatshas sehen. Doch sie fühlte, dass sie auf dem besten Weg dorthin war. Sie konnte an nichts anderes mehr denken. An nichts, außer daran, dass Rajatshas sterben musste. Sie konnte diese Nähe, die nach wie vor zwischen ihnen herrschte, nicht mehr ertragen. Konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass der Mensch, der Xano und Emyla getötet hatte, ihre Zwillingsseele war und in ihre Träume und Gedanken eindringen konnte. Sie stellte sich vor, wie sie Rajatshas aus dem Palast lockte, wie sie ihn unter einem falschen Vorwand zu einem Treffen mit ihr überredete und ihm dann ihr Schwert ins Herz rammte. Yanna keuchte auf, als sie erst von Genugtuung, dann von unendlichem Schmerz überschwemmt wurde. Sie wollte, dass Rajatshas starb, wünschte es sich von ganzem Herzen. Doch ein anderer Teil von ihr schrie beim bloßen Gedanken daran gequält auf und konnte sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als dass Rajatshas plötzlich nicht mehr da war.
„Nicht einmal richtig hassen kann ich ihn“, flüsterte Yanna. „Er hat das Feuer benutzt, hat sie mit seinen eigenen Fähigkeiten ermordet. Trotzdem gibt es einen Teil von mir, der sich nicht einmal seinen Tod wünschen kann.“ Langsam sank sie zurück auf den Stuhl. Sie
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