Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
wenig verstehen. Himmel Herrgott noch mal!«
    Die kurzen schrillen Töne in seinem Ohr machten Neil klar, dass sein Anwalt aufgelegt hatte. Ein Fachmann, dachte er. Der Anwalt hatte völlig Recht, ein Fachmann an seiner Seite musste ihm helfen. Er wusch und rasierte sich, dann fuhr er mit der Red Line die zwei Stationen bis zum MIT-Gelände.
    »Neil«, sagte Ethan Giles und klang für seine Verhältnisse ausgesprochen vergnügt und aufgeräumt, als Neil bei ihm aufkreuzte, »wie geht es Ihnen? Nähert sich Ihr Buch allmählich dem Endstadium?«
    »Mehr oder weniger, Doc. Aber um ins Finale zu gehen, brauche ich etwas wissenschaftliche Unterstützung. Und wer könnte mich da besser beraten als Sie?«
    »Mein erster Rat wäre, etwas Schlaf nachzuholen«, entgegnete Giles trocken. »Sie sehen schauderhaft aus. Aber schießen Sie schon los.«
    Neil wiederholte seine Geschichte und stellte fest, dass er immer größere Schwierigkeiten hatte, die verschiedenen Stränge auseinander zu halten; seine AIDS-Theorie und Sanchez, Beatrice und ihr Hintergrund, Warren Mears und das, was ihm Beatrice über dessen Forschungen erzählt hatte, die neuen stammzellengestützten Methoden, die Matt als die einzige plausible Story bezeichnet hatte. Am Ende landete er doch immer wieder bei Beatrice und seiner Sorge um sie.
    »Was ich also brauche«, schloss er, »ist ein Gutachten. Oder am besten mehrere. Sie haben die Patente ja durchgelesen, Sie wissen, in welche Richtung Mears und Sanchez geforscht haben, und in welche nicht. Und ich wette, Sie könnten auch eine Spekulation über Beatrices Ursprung anstellen, ausgehend von dem, was sie mir über die Ergebnisse ihrer Selbstdiagnose erzählt hat.«
    Giles war während Neils Ausführungen immer unruhiger geworden, hatte begonnen, auf und ab zu gehen, und war schließlich ans Fenster seines Büros getreten, den Rücken zu Neil gewandt. Auch jetzt drehte er sich nicht um, als er antwortete.
    »Sie sind wirklich wahnsinnig.«
    »Doc, Sie brauchen meine Überlegungen ja nicht blind zu unterschreiben. Nur das, was Sie selbst für wahrscheinlich…«
    »Nein«, fiel ihm Giles ins Wort.
    »Was ist mit der Analyse, die Sie mir selbst gegeben haben, über die Patente? Ein Gutachten von Ihnen darüber, dass keines dieser Patente, die in den letzten Jahren eingereicht wurden, etwas mit AIDS zu tun hat, würde mir schon…«
    »Nein. Und bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich ziere mich nicht, ich ziehe Sie auch nicht auf, und ich spiele auch nicht den widerspruchslustigen Gelehrten. Es ist meine wohl überlegte Meinung, dass Sie jeglichen Kontakt zur Realität verloren haben, wenn Sie glauben, dass ich meinen wissenschaftlichen Ruf und meine Anstellung hier durch die Verwicklung in so eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte riskieren werde.«
    Mit einem Ruck drehte er sich um. Sein Gesicht war grau, aber entschlossen.
    »Victor Sanchez soll vor fünfundzwanzig Jahren schon in der Lage gewesen sein, Genmanipulation in diesem Stil zu betreiben? Eine Schwangerschaft ohne Leihmutter durchgeführt haben? Absurd. Es gab ja damals noch nicht mal Mikromanipulatoren. Ihre AIDS-Theorie war ja schon ein wenig extravagant, aber immerhin wert, ein-, zweimal darüber nachzudenken. Doch jetzt erkenne ich, dass Sie entweder Sciencefiction schreiben oder nichts als ein Paranoiker sind.«
    »Giles, bitte, es geht hier um ein Menschenleben!«
    »Ja. Mit Sicherheit um meines. Um meine Karriere.« Die enttäuschte Wut hatte sich noch nicht in Neil gelegt, als er langsam erwiderte: »Wie hoch beläuft sich die finanzielle Unterstützung von Livion für die hiesigen Lehrstühle denn?«
    »Hinaus«, sagte Giles.
     
    Die Gespräche mit seinen alten Interviewpartnern verliefen nicht viel besser. »Hören Sie, Dad hat auch überlegt, ob er diesen Sanchez verklagen könnte«, sagte Dinah Strauss. »Aber Tatsache ist, der Mann hat kein Geld für die Behandlung genommen, und es gibt mindestens zehntausend Experten, die bereit sind zu beeiden, dass es zu dieser Zeit gar keine Behandlungsmethoden gab, mit denen Justin hätte geholfen werden können. Und Sie, wenn ich Sie recht verstanden habe, können nicht mal einen einzigen auftreiben, der etwas anderes beschwören würde. Alles, was Sie haben, sind Theorien, und Theorien sind dünne Luft. Tut mir Leid, Louisiana. Nein danke.«
    Es war, als habe er seine Überzeugungskraft irgendwo in Alaska verloren.
    »Eine Sammelklage? Bedaure, mein Freund, aber das ist unmöglich.

Weitere Kostenlose Bücher