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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Verzögerungsmittel für AIDS, ein Herzkreislaufmittel und was man sonst noch alles so haben muss wie Vitamine. Oder der Schnickschnack, den Ihre Großmutter garantiert vor dem Einschlafen nimmt.«
    »Leuchtet ein«, sagte Neil und wartete, bis die Kürbiskernsuppe, die er bestellt hatte, vor ihm abgesetzt wurde. Eddington schaute wohlgefällig auf seinen Waldorfsalat.
    »Nun habe ich aber gelesen«, fuhr Neil fort, ehe er zum Löffel griff, »dass die AIDS-Mittel, die Livion verwendet, nicht aus eigener Quelle stammen, sondern dass man hier mit Lizenzen arbeitet.«
    »Ja und nein. Das Geschäft mit dem Original-AZT ist ohnehin ausgelaufen, zusammen mit dem Patent. Deswegen kann man jetzt damit in Afrika großzügig sein. Bei uns geht es um die neuen geschützten Kombinationen. Man steht in Verhandlungen und ist kurz davor, einen Lizenzgeber dafür zu übernehmen. Der kostet derzeit nur zehn Milliarden, das ist in der Branche spottbillig. Seine anderen Patente laufen aus, und das drückt die Kurse. Noch einen Monat, dann hat ihn entweder Livion oder Pfizer geschluckt. Wer von beiden das Rennen macht, ist noch nicht raus.«
    »Aber noch ist es nicht so weit.«
    »Nein. Deswegen wird mit AIDS-Mitteln bei Livion auch nicht das ganz große Geld verdient. Aber einige 100 Millionen Reingewinn kommen wohl schon zusammen. Die Sache ist die, Livion hat den Ruf, die besseren Forscher zu beschäftigen, und das zahlt sich langfristig aus. Ihr ganz großes Geld machen sie derzeit mit einer Mischung aus Schutz- und Verteidigungsstoffen. Seit der Anthrax-Affäre ist das Pentagon ganz heiß auf die. Dafür hat Livion sogar einen Supercomputer bekommen, ein Schwesterchen von Nirvana in Los Alamos. Kann man sonst nicht kaufen, aber für die Sicherheit ist nichts zu teuer.«
    »Beste Wissenschaftler. Verstehen Sie darunter dieses Labor in Alaska und das Sanchez-Mears-Gespann?«
    Eddington warf ihm einen schrägen Blick zu.
    »Sie sind gut informiert.«
    Danach herrschte eine Weile Schweigen. Neil spürte den Pfeffer, der dem süßen Kürbisgeschmack beigemischt war. Das Brot, das er sich nahm, war ungewohnt fest; es musste wohl aus einer der Delis stammen, die es hier in New York gab. Er war bald mit seiner Suppe fertig, wartete jedoch, bis Eddington sich mit einem befriedigten Seufzer von seinem Salat zurücklehnte. Bis der Hauptgang aufgetischt wurde, musste er sein rhetorisches trojanisches Pferd in den Stall bringen. Obwohl er sich bei der Stammzellengeschichte trotz der Bemerkungen von Beatrice und Giles absolut nicht sicher war. Aber er hatte seinen Instinkt, den Instinkt, der ihm über Jahre hinweg in solchen Situationen immer geholfen hatte. Die kleinste Unsicherheit gegenüber diesem Großstadthai zu zeigen, wäre selbstmörderisch.
    »Dr. Sanchez ist ja einer der ersten Forscher, die sich mit AIDS beschäftigt haben«, sagte er. »Aber seit Mitte der Achtziger hört man überhaupt nichts mehr von ihm.«
    »Das ist Absicht. Mr. President hält große Stücke auf ihn. Was Livion betrifft, sind Sanchez und Mears seiner Ansicht nach die Stützen des Hauses und stehen hinter allen wichtigen Entwicklungen. Sie werden isoliert und gepflegt wie rohe Eier, damit sie niemand abwirbt. Aber solche Leute denken sowieso nicht primär ans Geld.«
    Er schenkte Neil ein mokantes Lächeln.
    »Die sind nicht wie wir. Die wollen forschen, und Alaska bietet das ideale Terrain dafür. Da tritt ihnen niemand ständig auf die Zehen, wie in Massachusetts oder Kalifornien. Allerdings flüstert mir ein Vögelchen, dass Livion vorhat, das Labor auszugrenzen und als eigenständige Firma mit Sitz auf den Bahamas ins Handelsregister eintragen zu lassen.«
    »Lassen Sie mich raten. Wegen der Steuern oder wegen eventueller Sammelklagen?«
    »Ts, LaHaye, wer wird denn gleich von Klagen reden. Der Steuern wegen. Wenn die in Alaska tatsächlich die Nuss knacken, an der sie derzeit arbeiten…«
    »Proteinentschlüsselung?«, unterbrach ihn Neil. Eddington schmunzelte.
    »Okay, Sie brauchen mich nicht mehr zu beeindrucken. Sie wissen wirklich Bescheid. Also wenn sie das schaffen, dann kann der Gewinn in diesem Bereich allein in ein paar Jahren größer sein als bei Pfizer insgesamt, und das schließt all die anderen Erträge, die Livion erzielt, nicht mit ein.«
    »Tja«, sagte Neil gedehnt, »wenn die Proteinentschlüsselung alles wäre.«
    Eddingtons Augen verengten sich. »Ich bin ganz Ohr.«
    »Mir leuchtet das, was Sie vorhin über die finanziellen

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