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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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lockenden Stimmen blieben aus, die ihn sonst begrüßt und seine Schritte gelenkt hatten. Das Schweigen des Waldes war vielleicht nur der frühen Stunde geschuldet, doch der Dichter glaubte nicht daran. Vielmehr empfand er es als eine Art stummer Abwehr.
    »Dieses Mal haben wir dich nicht gerufen«, schienen die verwitterten Borkengesichter der Baumriesen zu sagen. »Gib acht, was du tust. Gib acht …«
    An einem anderen Tag hätte ihn die düstere, fast schon feindselige Atmosphäre vielleicht aufgehalten oder gar zur Umkehr bewegt, aber daran war unter den gegebenen Umständen nicht zu denken. Es hätte schon physischer Gewalt bedurft, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten.
    Es war lange her, dass der Dichter, der sonst eher zum Zaudern neigte, zum letzten Mal von einer derart tiefen Entschlossenheit erfüllt gewesen war. Die Vollendung der »Duineser Elegien«  war ein ähnlicher Kraftakt gewesen, aber auch da hatte es Phasen des Zweifels und der Mutlosigkeit gegeben.
    Doch heute würde er sich nicht aufhalten lassen – nicht, bevor er sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, dass es Miriam gut ging. Der Dichter wusste zwar nicht, welcher Art die Bedrohung war, deren Nähe er instinktiv spürte, dennoch war er fest entschlossen, sich ihr zu stellen.
    »Und du wirst mir dabei helfen«, flüsterte er beschwörend, als er sich am Ende des Wegs schließlich seinem Baum gegenübersah.
    Doch die erhoffte Reaktion blieb aus, selbst dann noch, als der Dichter in den Schatten der mächtigen Krone des Weltenbaums eintauchte.
    Also gut, dann ist es diesmal eben mein Wille , sprach er sich in Gedanken Mut zu, bevor er mit klopfendem Herzen seine Handflächen auf die borkige Haut des Baumwesens legte, die sich gewohnt warm und nachgiebig anfühlte. Nimm mich zu dir!
    Wahrscheinlich hätte es der Aufforderung gar nicht bedurft, denn das Ritual des Einswerdens vollzog sich mit der gleichen unwiderstehlichen Vehemenz wie sonst, wenn auch in irritierendem Schweigen.
    Sein Körper blieb wie eine leere Hülle zurück, während sich sein Geist mit atemberaubender Geschwindigkeit erhob und eintauchte in die sternbeglänzten Weiten des Alls. Wie der Strahl eines Leuchtturms glitt der Blick des Dichters weit hinaus, bis er jenseits aller bekannten Grenzen an einer vertrauten Struktur Halt fand: Es war sein Dorf , das er in jeder Umgebung wiedererkannt hätte. Neben den altersmüden Häusern, Scheunen und Stallungen wirkte die elegante Silhouette des Raumschiffes wie ein futuristisches Bauwerk aus einer fremden Welt.
    Und doch existierte eine Beziehung zwischen beiden, anderenfalls hätte die junge Frau – Miriam – das Dorf und das letzte Haus der Welt niemals wiedererkannt. Sie hatte um die Gefahr gewusst und war ihn dennoch gegangen, den Weg durch die graue Einöde und darüber hinaus. Jetzt war sie gefangen, eingemauert in einem Labyrinth ohne Ausgang. Zumindest hatte der Dichter bislang keinen gefunden – trotz seiner Fähigkeit, selbst massive Hindernisse mit seinem Blick zu durchdringen.
    Aber es musste einen Zugang geben. Wie sonst hatte die Bestie in das Labyrinth eindringen können? Wenn er Miriam und ihren Gefährten helfen wollte, musste er ihn finden, bevor die nächste Monstrosität aus dem Hinterhalt über sie herfiel. Hier durfte er sich jedenfalls nicht länger aufhalten …
    Der Dichter wollte seinen Blick bereits abwenden und das Dorf hinter sich lassen, als etwas geschah: Eine Sternschnuppe fiel vom Himmel und kurz darauf eine weitere, noch hellere. Noch bevor sich ihr Fall verlangsamte, ahnte der Dichter, was es mit den Lichterscheinungen auf sich hatte, und beobachtete fasziniert, wie die beiden Flugkörper ihren Kurs änderten und auf sein Dorf zusteuerten.
    Doch nur der zweite, hellere ähnelten jenem, dessen Landung der Dichter seinerzeit beobachtet hatte. Der andere erschien dagegen beinahe wie ein lebendiges Wesen, eine prähistorische Flugechse vielleicht, der es jedoch am Wichtigsten fehlte, nämlich an Flügeln, die den massigen Körper hätten in der Luft halten können.
    Normalerweise hätte das Geschöpf wie ein Stein zu Boden fallen müssen, stattdessen schwebte es in einer grün schimmernden Aureole sanft herab. Der Anblick war überaus bizarr, denn das Wesen ähnelte tatsächlich einer riesigen Eidechse, deren unglaublicher Flug damit endete, dass sie auf eigenen Füßen landete.
    Den weiteren Fortgang vermochte der Dichter zunächst nicht zu verfolgen, da im nächsten Moment der zweite

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