Götterdämmerung (German Edition)
wusste, was die Szenerie zu bedeuten hatte. Dass der Fremde auf der Rückbank ebenfalls ahnte, was auf sie zukam, bezweifelte er jedoch.
Der Mann hinter ihm atmete geräuschvoll. „Jetzt fällt’s dir auch auf, was?“
Ben fuhr noch langsamer. Er suchte die Maschinen, von denen Nadja gesprochen hatte.
„Sieht aus, als hätte es eine Schießerei gegeben“, stellte der Fremde fest. „Wo bleiben die Bullen?“
Ben trat hart auf das Beschleunigungspedal. Er hatte etwas gesehen. Eine Gestalt, die blitzschnell hinter einem Zaun verschwand und nicht an einen Menschen erinnerte. „Wir müssen sofort hier weg“, sagte er tonlos.
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Fassungslos stand Tom vor der Zentrale – oder dem, was von ihr übrig geblieben war, denn bis auf wenige einzeln stehende Wände gab es hier nur noch Schutt und zerborstenes Glas. Und Staub. Jede Menge Staub. Auf dem Parkplatz standen noch einige Polizeiwagen, doch ohne passende DNA und entsprechende Codes waren die Fahrzeuge nutzlos.
Tom setzte sich wieder in Bewegung, lief um den Schuttberg herum, spähte in die Fahrzeuge und suchte nach Lebenszeichen seiner Kollegen. Doch da war niemand. Er hörte keine Stimmen, keine Hilferufe, kein Hämmern oder Klopfen, nichts. Nur der Schutt knirschte unter seinen Füßen. Ab und zu rutschten Steine nach. Sein Kommunikator fiel ihm ein, aus dem Gerät drang jedoch nur leises Rauschen. Tom veränderte die Frequenz, aber es blieb dabei: Er konnte niemanden erreichen.
Nicht weit entfernt gab es einen ohrenbetäubenden Knall, das unheimliche Grollen verstärkte sich.
„Bist wohl nicht weit gekommen“, murmelte Tom und dachte an seine Roboterkopie. Was immer du getan hast, es war nicht genug.
Unsicher sah er sich um. Ein Polizeiroboter ging vor dem zerstörten Gebäude auf und ab. Tom traute ihm nicht. Er erinnerte sich an den Ausfall von RT 501 – und an die Roboter, die seinen Wagen beschossen hatten.
Jetzt, wo es zu spät war, noch etwas dagegen zu unternehmen, erkannte er den Zweck dahinter: RT 501 war nicht ausgetickt. Er war gerufen worden. Einberufen. Nur hätte Tom das bis vor wenigen Stunden nie für möglich gehalten.
Er müsste diesen Ort schleunigst verlassen, aber er hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Vielleicht gab es irgendwo Militäreinheiten, denen er sich anschließen konnte. Wenn er wenigstens seinen Wagen noch hätte. Sein verletzter Arm fühlte sich immer noch taub an. Wenigstens hatte er keine Schmerzen. Noch nicht.
Der Polizeiroboter kam auf ihn zu, gefolgt von zwei weiteren Maschinen. Tom setzte sie mit seinem EMP außer Gefecht, bevor sie die Chance hatten, zu schießen. Dann lief er über die Straße, trat gegen einen Stein, der auf der Fahrbahn lag und kickte ihn weg. In diesem Moment kam der Wagen angerast.
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Als Oliver die Augen aufschlug, brauchte er einen Moment, um zu begreifen, wo er sich befand. Sein Körper zitterte vor Kälte. Es war dunkel und nass. Regentropfen fielen auf sein Gesicht. Feuchtigkeit drang von überall her in Haare und Kleidung. Aus irgendeinem Grund konnte er weder Arme noch Beine bewegen. Seine Schultern und die Handgelenke schmerzten, aber er wusste nicht wieso. Besonders der noch nicht verheilte Arm machte ihm zu schaffen. Er lag im Gras. Über ihm bewegten sich Baumkronen im Wind. War das der Park? Was machte er hier?
Er kannte den Park, aber diese absolute Dunkelheit war Oliver fremd. Ebenso die Geräusche, die aus der Stadt zu ihm getragen wurden. Normalerweise hätte er Gelächter hören müssen, die Rufe von Jugendlichen, die sich gelegentlich hier trafen, leise Musik. Aber da war nur dieses unheimliche Grollen, das er nicht einordnen konnte. Immer wieder wurde es von ohrenbetäubendem Donnern übertönt. Und woher stammte dieses unheimliche Knacken, das in den kurzen Pausen zwischen den Donnerschlägen auftauchte und langsam auf ihn zukam?
Er richtete den Oberkörper auf und befühlte verwirrt die Fesseln an seinen Händen. Angestrengt spähte er in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Er konnte nichts erkennen. Wahrscheinlich handelte es sich nur um einen Vogel, der sich verängstigt in den Schutz der Zweige flüchtete. Oliver versuchte aufzustehen, aber er schaffte es lediglich sich hinzusetzen. Auch seine Füße waren gefesselt. Er erkannte die Silhouette des Springbrunnens und nun fiel ihm schlagartig alles wieder ein: Das Treffen. Hanna. Dass er nach Hause gehen wollte. Der Schlag gegen seinen Hals.
„Miststück“, brummte er
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