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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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nahm sein EMP und die Pistole und folgte ihm die Treppe in den Keller hinunter, wo Simon ein kleines medizinisches Depot besaß: Verbandszeug, Schmerzmittel, Heilsalbe, verschiedene Lösungen und zwei NPT-Sticks. Wenn jemand aus der Organisation mit Verletzungen auftauchte, war es seine Aufgabe, sich darum zu kümmern. Simon bezweifelte jedoch, dass seine Fertigkeiten ausreichten, Vincent zu versorgen. Im Gegenteil, er glaubte, dass Vincent in seiner Wohnung nur eine verschwindend geringe Chance hatte. Aber Oliver war der Boss. Er hielt sich daran, was der Boss sagte.
    Simon öffnete die Kellertür. Der Raum dahinter sah genauso sauber aus wie seine Wohnung. Es gab kein Gerümpel wie in den anderen Kellerräumen, keine Spinnweben und auf dem niedrigen Holzschrank, dem einzigen Möbelstück in dem ansonsten leeren Raum, lag kein Staub. Lediglich in den Ecken rollten sich ein paar Asseln zusammen, als der Strahl von Simons Taschenlampe sie einfing.
    Er öffnete den Schrank und zog die unterste Metallbox heraus. Sie war so groß wie ein komplettes Schubfach, aber nicht besonders schwer. Er nahm die Box und drehte sich um. Oliver stand hinter ihm in der Kellertür und beobachtete ihn aufmerksam. Die Pistole hielt er immer noch in der Hand.
    „Hast du was gefunden?“ Simon nickte. Schweigend liefen sie nach oben. Simon ging voraus. Er hatte das Gefühl, als hielte Oliver die Pistole auf seinen Rücken gerichtet, aber er drehte sich nicht um.
    In der Wohnung packte er aus: sterile Spezialverbände, Elektrolytlösung, verschiedene Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel, zwei Packungen Opttrical und Brandsalbe. Er verabreichte Vincent mittels NPT eine hohe Dosis Beruhigungsmittel. Die würde seinen Körper in eine Art Ruhezustand versetzen. Dann drückte er Oliver die Verbandpäckchen in die gesunde Hand.
    „Hier!“, sagte er. „Du musst mir helfen! Wir bringen Vincent ins Schlafzimmer. Danach kümmere ich mich um deinen Arm. Und leg endlich die Pistole weg!“, fuhr Simon ihn an. Oliver verzog den Mund und steckte die Waffe in seinen Gürtel.
    „Wehe, du versuchst, mich auszutricksen!“, sagte er drohend. Statt einer Antwort reichte Simon Oliver eine der beiden Opttrical-Packungen.
    „Woher hast du das?“, fragte Oliver mit gierigem Blick.
    „Hab da so meine Beziehungen“, meinte Simon. Er wartete, bis sein Boss die Packung aufgerissen und zwei Kapseln geschluckt hatte. „Was ist mit den anderen passiert?“, wollte er wissen.
    Von Oliver kam keine Antwort.
     
    •
     
    Als Ben auf die Straße trat, überprüfte er zuerst sämtliche Aushänge und Reklame-Bildschirme, ob er sein Gesicht darauf wiederfinden würde. Dann beobachtete er die Leute auf dem Fußweg. Niemand nahm Notiz von ihm.
    Der Sturm war etwas abgeflaut. Vorher hatte er jedoch noch eine Mülltonne umgekippt und ihren unappetitlichen Inhalt ringsum auf dem Fußweg und der Straße verteilt. Schmutziges Papier klebte am Bordstein. Ein Hund mit struppigem Fell fraß an einem Stück Fleisch, das bereits grau verfärbt war. So wie der Hund aussah, zweifelte Ben jedoch nicht daran, dass er diesen Happen unbeschadet überleben würde.
    Er zog die Haustür zu und hob den Kopf zu den Fenstern im dritten Stock. Hoffentlich war der Arzt bald da, um Sophie zu helfen. Ben hatte ein schlechtes Gewissen, dass er die Frau allein ließ, aber er konnte nicht riskieren, dass er erkannt wurde. Leider hatte er seine Baseballmütze verloren, sodass er sein Gesicht nicht verbergen konnte.
    Unschlüssig setzte Ben sich in Bewegung. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, wohin er gehen sollte. Ziellos schlenderte er die Straße entlang, überquerte eine Kreuzung und bog in eine weitere Straße ein. Er kannte die Gegend. Als Kind war er manchmal hier gewesen. Gleich um die Ecke befand sich das alte Einkaufszentrum, das seit Jahren geschlossen war und keine neuen Mieter fand. Das Autohaus daneben hatte er einmal mit seinem Vater besucht. Er erinnerte sich noch daran, dass er in jedes der ausgestellten Fahrzeuge geklettert war und sich hinter den Vordersitzen versteckt hatte, weil er nicht aussteigen wollte.
    Eigentlich kannte Ben die ganze Stadt. Seinen Erinnerungen nach war er überall schon gewesen, als die eine oder die andere Person. Er konnte sich nur nicht darauf verlassen, dass seine Erinnerungen echt waren. Vielleicht handelte es sich ja nur um Filmsequenzen, die er sich ausdachte, ohne es zu merken. Abrupt blieb er stehen, als ihm etwas einfiel. Wenn dieser

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