Goetterdaemmerung - Roman
sogar, als sichere Lockspeise, mehrere Wachsmasken aus dem letzten Jahr mitgebracht, die für den berühmten Ball bei dem jungen Fürsten Radziwill bestellt worden waren. Die Leute hatten zum Spaß zwei oder drei Masken übereinander getragen, sodass man sich täuschte, wenn sie eine Maske ablegten, und man die zweite für ihr Gesicht hielt. Karl von Este betrachtete sie lange und aufmerksam, vor allem eine, die eine junge, blonde und rosige Frau mit lebhafter, launischer und zu Scherzen aufgelegter Miene zeigte, sodass Seine Hoheit schließlich fragte, wer sie sei. «Eine meiner guten Kundinnen», sagte der Friseur leichthin … «Sie war bezaubernd auf diesem Ball …»
«Wirst du mir wohl ihren Namen sagen, du Dummkopf!»
«Na, das ist die Renz», erklärte Felix, der wie aus Verblüffung dabei innehielt, eine der Masken in ihr Schatullenfach zurückzulegen. «Ist es möglich, Monseigneur! Eure Hoheit kennen Fräulein Lyonnette nicht?»
Und die beiden Kumpane ließen sich lautstark darüber aus, denn auch Giovan kannte sie, zweifelsohne war er ihr bei dem Emailleur begegnet; er rühmte sie nun so sehr und malte dem Herzog so leidenschaftlich all die Schönheiten und den Esprit des Mädchens aus, dass er ihn prompt als in sie verliebt erklärte, und man hörte wegen dieser erstaunlichen Entdeckung bis weit in den Abend hinein Gelächter. Er lachte sogar noch weiter, als er in seinem Schlafgemach war. Der Köder war ausgelegt; die wichtige Angelegenheit, die Giovan seit dem Tag seiner Ankunft unaufhörlich beschäftigte, war auf den Weg gebracht. Nach so vielen Höhen und Tiefen konnte er hoffen, die Belcredi zu verjagen und seinem seltsamen Fürsten eine von ihm ausgewählte Mätresse zuzuführen. Er wüsste schon, wie er diese neue Favoritin im Zaum halten würde; sie beide würden dann gemeinsam, oder besser noch, er noch über ihr, regieren; und das wäre endlich seine wahre Rückkehr in die hohe Gesellschaft und zum Wohlstand … «Amen! So sei es!», dachte der Hofnarr, als er zu Bett ging.
«Guten Tag, Philippe!», rief ihm der Herzog entgegen, als Giovan am nächsten Morgen erschien, denn sie hatten am Vorabend beim Essen, wie man so sagt, einen Philippe 125 gewettet, den Seine Hoheit in Geld und Arcangeli in Späßen zu bezahlen hatte. Doch leider war Karl von Este an diesem Tag so grämlich, dass er die Narrenpossen auf später verschob und seinen Hofnarr lediglich anwies, ihm aus der «Gazette de Florence» vorzulesen, eine jener italienischen Zeitungen – diese erschien auf Französisch –, die man im Palais seit Franz’ Abreise als Botschafter erhielt.
«Giovan» (dabei zeigte er mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle):
EINE HOCHZEIT IN ROM
«Hier, lies das», fügte Seine Hoheit hinzu, «ab den Worten:
‹Wir haben bereits dargelegt …›»
Zu Herrn Felix gewandt, der ihn zu frisieren begann, sagte der Herzog: «Ich habe den Anfang der Geschichte schon gelesen. Es geht um einen dummen Ausländer … die Zeitung nennt seinen Namen nicht. Kaum angekommen, vernarrt er sich in ein leichtes Mädchen. Sie hält ihn lange hin, er verzweifelt und zuletzt heiratet er sie, so wie mein Vater die Ghigelli geheiratet hat.»
«O weh, o weh!», dachte Giovan mit Herzklopfen, als er die von ihm gelegte Bombe gezündet sah, und zugleich voller Verwunderung über den Zufall in dieser Angelegenheit. Und voller Freude und Erwartung sprang der Possenreißer auf die Fensterbank und setzte sich auf den Schrank, da er von dort besser zu verstehen sei.
«Na los, wann fängst du endlich an?», fragte der Herzog.
«Wir haben bereits dargelegt»,
stotterte Giovan,
«wir haben bereits die vorausgegangenen Tatsachen dargelegt; wir haben gesehen, wie sich der gutgläubige Ausländer zu dieser heimlichen Heirat, die ihn ins Unglück stürzen sollte, bewegen ließ. Am 13. August wurde gegen drei Uhr nachmittags ein römischer Polizist bei ihm vorstellig: Der junge Mann wurde festgenommen und ins Gefängnis des Heiligen Offiziums geführt.»
«Was hat er denn getan?», fragte Herr Felix und trat mit der Schere in der Hand einen Schritt zurück, denn er stutzte den Bart Seiner Hoheit.
«Die Verschwörung ist leicht nachvollziehbar»,
fuhr Giovan gellend fort und vermied damit jede Erklärung.
«Kaum war sie aus der Kirche zurückgekehrt, ist das Fräulein oder einer ihrer Komplizen losgegangen, um sich selbst und den Betrogenen anzuzeigen. Die heimliche Heirat ist in der Tat ein Sakrileg, eine Entweihung der
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