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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Passende auszuwählen; woraufhin der Herzog es sich im Spiegelkabinett in einem Sessel bequem machte und Arcangeli mit tiefem Ernst begann, die auf die Wangen des Wachskopfs gemalten Farben auf Karl von Estes Gesicht zu übertragen. Dann stieg der alte Galan geschniegelt, mit umgebundenem Plastron, ausstaffiert mit einem Lederkorsett, das Antlitz wie versteinert unter seinem rosa- und gipsfarbenen Anstrich, in seinen Landauer, und nun hieß es: Fahr zu, Kutscher!
    War er auf dem Boulevard angelangt, ließ er meistens anhalten und sich vor dem Geschäft eines bekannten Zuckerbäckers aus dem Wagen helfen; dort verschlang er Unmengen von Früchten, Wiener Mandeln und Zuckerwerk nebst Gläsern voll Eiswasser, wobei er Herrn von Cramm oder Smithson zuredete, es ihm nachzutun. Manchmal setzte er sich auch am Fenster des «Maison d’or» zu Tisch. Es war nicht etwa so, dass ihn die Menge der Neugierigen gestört hätte, die zusammengeströmt war, um ihn zu betrachten, im Gegenteil, er war empfänglich für die bewundernden Bemerkungen, die man jenseits der Scheibe über seinen feinen Zwirn und seine Diamanten machte, und es war ein echtes Schauspiel, wie er unter den überraschten Blicken der Vorübergehenden aufblühte.
    Sein ungestümes Betragen hatte sich noch verstärkt und ließ stets einen höchst unerfreulichen und verhängnisvollen Ausbruch befürchten. So befiehlt er eines Abends, als er in sein Coupé steigt, größte Eile, der Kutscher solle die Pferde tüchtig antreiben …
    «Nicht so schnell», befahl Seine Hoheit.
    Und sogleich wird der Wagen langsamer.
    «Schneller», ruft der Herzog; dann lässt er abermals anhalten, und dies wiederholt sich vier- oder fünfmal. Dann richtet er sich plötzlich wieder auf, die Pistole in der Hand – denn seine Taschen waren stets vollgestopft mit Dolchen und Messern –, und brüllt: «Schritt! Verräter …! Rohling! Steig ab, oder ich zerschmettere dir den Kopf», und auf diese Weise gelangte das Coupé schließlich zum Theater, im langsamsten Schritt, geführt von dem zähneklappernden Stallburschen.
    Unerschütterlich und majestätisch saß Karl von Este nun Abend für Abend in einer Proszeniumsloge, neben sich ein Sorbet, und spreizte sich; sein Anblick wurde Leuten aus der Provinz als Attraktion versprochen, gleich einem Perser oder einem Einmannorchester. Seine stechenden Augen, seine riesige Nase, sein Gesicht von lebhaftem Rosa unter seiner stumpfen schwarzen Seidenperücke sowie die Diamanten, mit denen er über und über bedeckt war, reizten die Frauen zum Lachen, während die Männer, die neben ihnen standen, unentwegt das juwelenbehängte, in schimmernde Seide gekleidete Geschöpf in seiner Begleitung anstarrten, das sich ein wenig im Hintergrund hielt, da ihm befohlen worden war, nur zu sprechen, wenn es gefragt wurde.
    «Aber das ist doch Esther Debloutz!»
    «Kaum zu glauben, hat er Léo verlassen?»
    Und in der Tat gab es im Palais ungefähr sechs Monate lang ein ununterbrochenes Defilee von Tänzerinnen, Abenteurerinnen, Kunstreiterinnen und Schauspielerinnen, sodass man oft Mühe hatte, herauszufinden, welcher Name diesmal im wöchentlich erstellten Verzeichnis der anfallenden Unterhaltszahlungen und Gagen aufgeführt sein musste. Dies lag gewiss nicht daran, dass Venus sich Seiner Hoheit gegenüber so tyrannisch gezeigt hätte. Die Lasterhaftigkeit des armen Mannes beschränkte sich inzwischen auf einen Rest von Gewohnheit, dennoch wollte er unbedingt eine Mätresse, der er seinen Luxus überstülpen konnte wie einer Schaufensterpuppe, und dass diese sein Haus vervollständigte.
    Die Schöne erhielt Diener, Kutscher, eine Kammerfrau und ihre eigene Tischgesellschaft. Sie wurde in einem der herzoglichen Coupés herumgefahren, das ihr immer zur Verfügung stand, und im Übrigen war der gute d’Andonville für sie eine Art Haushofmeister, eine Funktion, die Seine Hoheit ihm zuwies. Doch trotz solcher Annehmlichkeiten fühlte sich jede, die sich in diesem Metier versuchte, sogleich wieder abgestoßen. Ob unpässlich, krank oder von Migräne und Niedergeschlagenheit geplagt, stets musste die Favoritin fröhlich sein, lächeln, den Herzog unterhalten, wachen, plaudern, naschen, soupieren, nie eine Andeutung über Kälte, Hitze oder sonstige Widrigkeiten machen und ihm von Liebeleien und sämtlichen Pariser Albernheiten berichten, um Seine Hoheit aufzumuntern, ohne dass er je die Zügel locker gelassen hätte. Zwei oder drei Damen, die sich Ohnmachten oder

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