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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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jetzt auflegen.« Was sie auch tat. Am liebsten hätte sie sich selbst hinuntergespült. Die Kanalisation in Island war bestimmt gemütlicher als die beschissene Situation, in der sie gerade steckte.
    »Ich hab deine Stimme erkannt, also mach endlich auf!« Silvie klopfte erneut und Wencke versetzte ihr einen gerechten Schrecken, indem sie abrupt die Tür aufriss.
    »Was willst du denn?«
    »Kannst du mir mal erklären, was hier los ist?« Von Nahem sah man Silvie deutlich an, dass sie alles andere als entspannt war. Der schneckenartige Knoten, mit dem sie ihr künstliches Blond in Form gebracht hatte, war schräg verrutscht, die herausgefallenen Strähnen hatte sie notdürftig hinter die Ohrengeklemmt. Eine etwas tantige Handtasche hing ihr am Arm. Sie war geöffnet, ein Papiertaschentuch schaute halb heraus. »Vor drei Tagen rufst du bei mir an, schlägst Alarm, quetschst mich über Karl und die Geschichte von damals aus. Und dann treffen wir uns ausgerechnet auf einer Reise nach Island wieder, wo du Seite an Seite mit diesem Unmenschen im Flugzeug sitzt und wo wir vor der versammelten Mannschaft derartig bloßgestellt werden, dass es schon beinahe an Körperverletzung grenzt.«
    »Das Ganze tut mir wirklich leid, Silvie, glaub mir, aber ich habe damit nichts zu tun.«
    »Wir können noch nicht einmal flüchten, alle Flughäfen des Landes sind gesperrt wegen dieser …«
    »… Aschewolke, stell dir vor, das habe ich auch schon mitbekommen.« Wencke trat aus der Kabine, zwängte sich an Silvie vorbei und stellte sich ans Waschbecken. Silvie folgte ihr, die Pumps klackerten über die Marmorfliesen. »Aber flüchten muss doch nur, wer was auf dem Kerbholz hat, oder nicht?«
    »Oder wer sich verfolgt fühlt«, korrigierte Silvie.
    Während beide die Hände wuschen, begegnete Wencke im großen Spiegel abgesehen vom Anblick der alten Schulfreundin auch ihrer eigenen Visage. Ein bitterer Moment. Man konnte es auf die Beleuchtung schieben, auf den anstrengenden Tag oder die Zeitumstellung. Aber all das wäre Augenwischerei. »Siehst du, wie alt wir beide geworden sind?«
    Silvie zuckte nur mit den Schultern, holte eine Dose sündhaft teuren Puder heraus und begann in ihrem Gesicht herumzutupfen.
    Wencke zeigte auf eine waagerechte Falte, die ihr quer über die Stirn lief. »Diese Rille da muss gerade eben entstanden sein, als ich erfahren habe, dass der Mann, in den ich schon ein ganzes Jahrzehnt verliebt bin, heute Vater geworden ist.«
    »Was geht mich das an?« Klar, solche Einzelschicksale wareneiner Frau Hüffart natürlich schnurz. Die zog lieber ungerührt mit einem lederbraunen Stift ihre Lippen nach.
    »Und diese Runzeln hier zwischen den Augenbrauen«, Wencke rückte ganz nah an den Spiegel, »die sind auch neu. Höchstens drei Tage alt. Sie geben mir einen verhärmten Touch.«
    »Was redest du da für einen Müll?« Silvie schaute demonstrativ weg, fischte lieber nach einem Flakon und sprühte sich etwas Honigsüßes hinter die Perlenohrringe.
    »Ich möchte behaupten, diese Sorgenfalten habe ich erst, seitdem ich Doros Briefe gelesen habe.«
    Silvie riss die Augen auf und tuschte sich die Wimpern. »Briefe? Ich dachte, es wäre nur einer gewesen.«
    »Seit meinem Anruf sind noch drei dazugekommen. Jeden Tag einer. Selbst hier in Island.«
    »Wer schickt sie dir?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    »Und was steht drin?«
    »Ich dachte, du willst nichts davon hören?«
    »Mein Gott, Wencke!« Silvie warf ihren Mascara so wütend in die abgestellte Handtasche, dass die zu Boden fiel. Silvies sämtliche Schminkutensilien verteilten sich großzügig auf den Fliesen. »So ein Mist!«
    Wencke dachte nicht im Traum daran, beim Einsammeln zu helfen. Im Gegenteil, es bereitete ihr sogar ein diebisches Vergnügen, die hockende Silvie in ihrem seltsam ockerfarbenen Kostüm, das gerade in alle möglichen Richtungen verrutschte, zu beobachten.
    Zudem, wann würde sich jemals wieder die Gelegenheit bieten, aus dieser Perspektive ein Gespräch mit einer Frau zu führen, die stets darauf bedacht war, ihre Erhabenheit zu demonstrieren? »In den Notizen deutet Doro an, dass der schreckliche Ausgang der Entführung etwas mit der Schmiergeldaffäre deines Mannes zu tun hatte.«
    »Doro war eine linke Bazille. Sie hat keinem getraut, der mehr als eine Mark im Portemonnaie hatte.«
    »Ich habe den Verdacht, dass ihre Lungenembolie und das darauffolgende Koma mit ihren Nachforschungen zu tun hatte.«
    »Was willst du damit

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