Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
darfst das nicht so streng sehen, Kel. Ich würde es einfach als Steuersenkung bezeichnen. Und unsere Kunden sind begeistert.«
»Bitte nimm zur Kenntnis, dass ich dies ausdrücklich verurteile.«
»Du klingst ja wie Richter Gem! In deiner jetzigen Lage solltest du dich besser auch nicht immer an die Regeln halten. Und das königliche Weinlager wird bestimmt unser bestes Versteck.«
»Vorausgesetzt, dein Freund kommt uns entgegen.«
»Bestimmt! Er hängt sehr an seiner Frau. Ihr gehört nämlich das Haus und ein kleiner Bauernhof südlich von Sais.«
Ordnungshüter hatten die beiden Händler mit ihrem Esel bemerkt und beobachteten sie misstrauisch. Jetzt würde sich zeigen, wie gut ihre Verkleidung war.
Und wenn sie aufgehalten wurden, sollte man dann verhandeln oder lieber gleich die Flucht ergreifen?
Nordwind wurde nicht langsamer, und seine beiden Gefährten folgten ihm schweigend.
»Gewonnen!«, sagte Bebon später zufrieden. »Das waren Schnüffler von der besten Sorte, sie bewachen den Palast. Und wir sind echte Händler!«
Allmählich atmete Kel wieder normal.
»Der Kellermeister ist ein ungehobelter Kerl aus Syrien«, erklärte Bebon. »Das sage ich nur, damit du dich nicht über ihn wunderst.«
Am Eingang zu den Lagern warteten zahlreiche Lieferanten und etwa hundert Esel, die Körbe mit den unterschiedlichsten Waren trugen.
Nordwind und die beiden Männer bogen in den breiten Weg, der zu den königlichen Weinkellern führte. Vor dem Haupteingang standen viele Weinkrüge, die ein großer bärtiger Glatzkopf mürrisch untersuchte.
»Da bin ich wieder, Syrer.«
»Du bist es, Bebon. Wo hast du so lange gesteckt?«
»Ich habe eine Reise durch den Süden gemacht.«
»Zufrieden?«
»Na ja, es geht so.«
»Dann hast du wohl Lust auf ein paar gute Geschäfte?«, fragte der Syrer und grinste breit.
»Könnte sein.«
»Umso besser, der Zeitpunkt ist günstig. Ich hab gerade eine hübsche Ladung aus den Oasen gekriegt, und Käufer hätte ich auch.«
»Ich kann sofort liefern.«
Der Syrer beäugte Kel argwöhnisch.
»Wer ist denn der da?«
»Mein Gehilfe.«
»Und der ist in Ordnung?«
»Ja, er ist ein gehorsamer Dummkopf. Er hat von nichts eine Ahnung und macht uns ganz bestimmt keine Schwierigkeiten.«
»Dein Esel gefällt mir, der schaut schön kräftig aus. Genau richtig zum Ausliefern.«
»Sag uns, wann wir anfangen sollen.«
»Gleich heute Abend?«
»Einverstanden.«
Der Syrer klopfte Bebon vertraulich auf die Schulter.
»Du bist wirklich ein richtiger Freund.«
»Stimmt, aber ich habe noch eine kleine Bitte.«
Der Blick des Syrers trübte sich ein.
»Hoffentlich keine großen Geschichten?«
»Nein, natürlich nicht. Mein Helfer und ich wollen nur ein paar Nächte hier im Lager schlafen. Und nachdem du abends die letzte Runde machst und morgens als Erster das Tor öffnest, sollten wir hier doch ungestört sein.«
»Ist schon wieder ein Mädchen hinter dir her?«, fragte der Mann und grinste.
Bebon nickte schuldbewusst.
»Aha, wahrscheinlich eine verheiratete Frau und vielleicht auch noch aus den besten Kreisen! Stimmt's?«, wollte der Bärtige wissen.
Der Schauspieler murmelte irgendetwas vor sich hin.
»Bebon, du alter Gauner! Irgendwann kriegst du noch richtig Ärger. Also meinetwegen. Aber nur ein paar Nächte.«
»Die Schöne wird mich bald vergessen.«
»Also los, kommt rein!«
Der Weinkeller war erstaunlich sauber und voller Regale. In drei Reihen standen die Henkelkrüge – ordentlich aufgereiht und mit Tonpfropfen verschlossen. Ein Schild auf jedem Krug gab seine Herkunft, das Alter und die Sorte des Weins an.
Süßer Wein, gezuckerter Wein, trockener Weißwein, leichter Rotwein oder schwerer, außergewöhnliche Gewächse und vor allem der ›Fluss des Westens‹ – ein wahrer Göttertrank!
»Dem Esel geb ich im Stall nebenan Futter«, sagte der Syrer. »Bis das Tor geschlossen wird, könnt ihr euch waschen und was essen. Dann ist Ruhe. Und rührt ja nichts an!«
»Keine Sorge, mein Freund. Für deine Hilfe kriegst du auch einen Teil meiner Einkünfte.«
Der Syrer umarmte Bebon und drückte ihn an sich.
»Das nenn ich Freundschaft, mein Junge.«
70
A ls Nitis wieder in den Neith-Tempel zurückgekehrt war, schöpfte sie neue Hoffnung.
Langsam ging sie durch den von Sphingen gesäumten Weg, der Amasis gewidmet war, betrachtete seinen Obelisken, lief an der gewaltigen Stirnseite des Tempels vorbei und wandte sich dann zum heiligen See, über dem Dutzende
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