Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Geschrei von Nordwind, ihrem unumstrittenen Anführer, laut beantwortete. Damit sorgten die Vierbeiner für ein heilloses Durcheinander; einer stieß sogar einen Richter zu Boden, dem dann auch noch ein aufgeregter Beamter einen Stockschlag verpasste. Der heftige Protest der hilflosen Richter machte die Lage nur noch unübersichtlicher.
Als die Bogenschützen endlich freie Bahn hatten, waren Kel, Bebon und Nordwind verschwunden.
»Der König ist unverletzt, das ist die Hauptsache«, stellte Henat fest.
»Dieser Verbrecher hat das hohe Gericht der Lächerlichkeit preisgegeben«, tobte Gem außer sich vor Zorn.
»Konntet Ihr seine Helfershelfer erkennen?«
»Nicht einmal das! Er hat die Lage voll und ganz ausgenützt.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass er noch lebt und sein Aussehen verändert hat.«
»Aber wir können kein vernünftiges Bild von ihm anfertigen lassen. Die zahlreichen Augenzeugen machen ganz unterschiedliche Angaben – das reicht von einem pausbäckigen Männchen bis hin zu einem bärtigen Riesen. Nicht einmal ich selbst könnte ihn genau beschreiben. Irgendwie hielt er sein Gesicht hinter dem falschen Helm versteckt.«
»Ich finde das Ganze sehr merkwürdig«, meinte Henat.
»Er wollte uns nur reizen! Und uns zeigen, wie sehr er Gericht und Ordnungskräfte verachtet.«
»Sehr merkwürdig«, wiederholte Henat. »Wenn man den Brief bedenkt und dass er ganz offensichtlich ein kluger Mann ist – wieso sollte sich dieser Schreiber wie ein Wahnsinniger gebärden? Glaubte er vielleicht, der Helm sei echt?«
Diese Frage störte den Richter.
»Dieser Kel ist ein tollwütiger Irrer, ein Mörder, der zu allem fähig ist. Er überlegt nicht wie ein vernünftiger Mensch.«
»Aber er hat nicht einmal den Versuch unternommen, den König zu töten«, fügte Henat hinzu.
»Er hatte nicht damit gerechnet, dass Seine Majestät die Echtheit des Helms prüfen würde! Dann wäre Kel in den Genuss der königlichen Gnade gekommen. Von allen Vorwürfen reingewaschen, hätte er wieder ein friedliches Dasein führen können.«
»Ein gut ausgeklügeltes Vorhaben, das auch hätte gelingen können«, gab Siegelbewahrer Udja zu.
»Wer ist denn nun im Besitz des echten Helms von Amasis?«, fragte Henat.
»Natürlich Kel selbst!«, antwortete ihm der Richter. »Nachdem er die Hoffnung, für unschuldig erklärt zu werden, für immer begraben muss, bleibt ihm nur noch ein Ausweg: Er muss einem Umstürzler erlauben, sich gegen den König zu erheben. Wir haben es hier mit einem zu allem entschlossenen grausamen Verbrecher zu tun. Und die Kunde von seiner Allmacht wird sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung verbreiten.«
»Er kann nicht siegen«, widersprach der Siegelbewahrer.
»Nach dieser Zurschaustellung seiner Macht bin ich mir da nicht mehr so sicher!«
»Der Schreiber hat sich die allgemeine Überraschung zunutze gemacht«, sagte Henat. »Hätte er viele bewaffnete Helfer dabeigehabt, wäre es zu einer regelrechten Schlacht gekommen.«
»Für mich ist es ein Unentschieden.«
»Wir haben alles im Griff, Richter Gem, und Seine Majestät herrscht weiter uneingeschränkt über unser Land. Diese verbrecherische Geschichte nimmt eine ungewöhnliche Wendung, ich gebe es zu, aber handelt es sich wirklich um mehr als nur einen kleinen Aufruhr?«
»Wie auch immer – wir sollten jedenfalls sehr wachsam bleiben«, riet der Siegelbewahrer.
»Ich schlage vor, dass wir noch einmal das Reich der Neith durchsuchen lassen«, sagte der Richter.
»Ist das nicht der letzte Ort, an dem sich dieser Kel verstecken würde?«
»Eben! Schließlich kann er nicht ahnen, dass die Wachen noch einmal zum Einsatz kommen. Ein besseres Versteck ließe sich eigentlich gar nicht finden.«
»Das würde aber bedeuten, dass er Verbündete hat«, meinte Henat.
»Sehr richtig. Etwas hat mich eben misstrauisch gemacht: die plötzliche Erkrankung des Hohepriesters. Man müsste schon sehr grausam sein, wollte man ihn in diesem schmerzlichen Augenblick belästigen. Seine rechte Hand, die Priesterin Nitis, hat mich sehr nachdrücklich auf diese unangenehme Lage hingewiesen – und meine Fragen nicht richtig beantwortet. Der Schreiber und Mörder Kel wird das Gericht nicht länger an der Nase herumführen. Diesmal hat er vielleicht endlich einen verhängnisvollen Fehler gemacht.«
Nitis sann über die sieben Worte der Neith nach, die die Welt in sieben Schritten erschuf. In der Nacht, während der man die verstreuten Teile des
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