Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Mordsache als Mittäter angeklagt.«
Der Schauspieler ließ den Kopf hängen.
»Kel hat mich also angelogen … Wie konnte ich nur so dumm sein?«
»Vertraue auf deinen guten Stern, dann kannst du das Schlimmste verhindern. Wo wohnst du zurzeit?«
»In einem schönen Stadtviertel, bei einer Sängerin aus dem Neith-Tempel.«
»Du darfst Sais nicht verlassen, vielleicht ist deine Aussage bald wichtig.«
Die Wohnung von Bebons neuer Geliebten war sehr angenehm. Sie erstreckte sich über die gesamte zweite Etage eines neuen Hauses und hatte eine große Terrasse mit Matten und Sonnenschirmen. Kel war hellwach und betrachtete den Sonnenuntergang, er war von dem magischen Schauspiel so überwältigt, dass er die schrecklichen Ereignisse eine Weile vergessen konnte.
Warum war seine bisher so ruhige Welt mit der Aussicht auf eine sichere Zukunft auf einmal ins Wanken geraten? Zum Glück hatte ihn seine Freundschaft mit Bebon aus diesem Albtraum geweckt. Gleich am nächsten Morgen wollte er vor einem Richter erscheinen, um von jedem Verdacht reingewaschen zu werden.
Beruhigt nickte er ein.
Als eine Tür mit lautem Krach ins Schloss fiel, wurde er aus dem Schlaf gerissen.
»Ich bin's, Bebon!«
Kel lief die Treppe hinunter, die von der Terrasse in die Wohnung führte.
»Hast du deinen Freund getroffen?«
»Du wirst eines Verbrechens beschuldigt«, teilte ihm der Schauspieler mit.
Kel erstarrte.
»Du willst dich wohl über mich lustig machen?«
»Nein, natürlich nicht. Richter Gem besitzt unwiderlegbare Beweise.«
Der Schreiber packte seinen Freund an den Schultern.
»Das stimmt nicht! Ich bin unschuldig, das schwöre ich dir!«
»Daran zweifle ich auch nicht, aber die Obrigkeit ist anderer Ansicht.«
Kel schwankte.
»Was geht da vor?«
»Auf jeden Fall dürfen wir nicht den Überblick verlieren.«
»Ich lasse mich gefangen nehmen und werde alles erklären. Dabei wird sich erweisen, dass ich unschuldig bin.«
»Mach dir nichts vor«, riet ihm Bebon.
»Was soll das heißen? Hast du etwa kein Vertrauen in die Rechtsprechung?«
»Der Vorfall ist so folgenschwer, dass man ganz schnell einen Schuldigen brauchen wird. Du läufst Gefahr, geopfert zu werden.«
»Ich bin aber unschuldig!«, wiederholte Kel.
»Dein Wort wird ihnen nicht genügen.«
»Und was soll ich dann machen?«
»Den wahren Mörder finden, wäre mein Vorschlag.«
Der Schreiber versuchte sich zu beruhigen, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
»Natürlich – der Milchverkäufer! Entweder hat er die Milch vergiftet, oder aber er ist ein Helfershelfer.«
»Weißt du, wo er wohnt?«
»Sein Kuhstall ist in der Nähe des Neith-Tempels.«
»Dann werden wir den guten Mann mal zum Reden bringen.«
10
D ank der gründlichen Arbeit des Zeichners hatte Richter Gem mittlerweile etwa dreißig Bilder des Schreibers Kel, die an die verschiedenen Wachen in Sais verteilt werden sollten.
Udja, der Stadtvorsteher, war wie üblich mit tausendundeiner Verpflichtung überlastet, die seine vielen Ämter mit sich brachten, unterbrach aber seine Arbeit, um den Richter zu empfangen.
Bei jedem ihrer Treffen war der Richter aufs Neue von Udjas Statur und seinen breiten Schultern beeindruckt. Kaum ein anderer verfügte über seine Arbeitskraft, sein Ansehen und sein Einfluss wurden nicht in Frage gestellt. Das Alter schien bei ihm keine Spuren hinterlassen zu haben. Obwohl er noch König Apries, den Vorgänger von Amasis gekannt hatte, wirkte der Stadtvorsteher und königliche Minister unverändert jugendlich.
»Habt Ihr gute Nachrichten, Richter Gem?«
»Sehr gute sogar! Wir wissen nun, wer der Mörder ist: der junge Schreiber Kel. Leider haben wir ihn nicht zu Hause angetroffen. Die Wachen suchen aber nach ihm.«
»Habt Ihr einen unwiderlegbaren Beweis?«
»Ja, die Aussage des Milchhändlers. Starrkopf hat vor zwei Zeugen ausgesagt. Gestern Morgen hat er die Milchkrüge an Kel ausgehändigt. Der hat die Milch wie immer seinem Herrn und den anderen Schreibern persönlich gebracht. Allerdings hat er sie diesmal vorher vergiftet.«
Udja schien nicht ganz überzeugt.
»Das klingt ja ganz einleuchtend … Aber wieso hätte er ein so schreckliches Verbrechen begehen sollen?«
»Bestimmt in einem Anfall von wahnsinniger Mordlust. Sollte er einen anderen Grund gehabt haben, wird er ihn uns im Verhör gestehen.«
»Behandelt die Angelegenheit mit äußerster Verschwiegenheit«, verlangte der Stadtvorsteher. »Noch können wir nicht ausschließen,
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