Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Gewiss, Ihr habt eine widerstandsfähige Veranlagung, aber diese Ausschweifungen …«
»Das lass mal meine Sorge sein.«
»Majestät, bitte erlaubt, dass ich darauf bestehe.«
»Das erlaube ich dir nicht. Mach deine Arbeit und spare dir solche überflüssigen Bemerkungen.«
Also kehrte Horkheb in sein prunkvolles Haus in der Stadtmitte zurück, wo er vermögende Patienten empfing. Dank eines hervorragenden Zeugnisses von der medizinischen Schule von Sais hatte er es inzwischen nicht mehr nötig, einfache oder auch etwas besser gestellte Leute zu behandeln. Er war mittlerweile Besitzer von zwei Landhäusern – einem in der Nähe der Hauptstadt und einem anderen in Oberägypten – und arbeitete nur noch drei Tage die Woche. Als Allgemeinarzt, wenn auch an der Spitze der ärztlichen Rangfolge, überwies er schwierige Fälle an die entsprechenden Fachärzte.
»Ein Notfall«, teilte ihm sein Helfer mit.
»Wer ist es denn?«
»Die Oberste Sängerin und Weberin der Göttin Neith.«
»Also wohl eine hässliche Alte?«
»Nein, ganz im Gegenteil, sie ist jung und sehr hübsch.«
»Ah, dann entschuldige mich bei meinem nächsten Patienten und bitte sie in das Untersuchungszimmer.«
Der Angestellte hatte nicht gelogen: Nitis war wirklich bezaubernd.
»Ich glaube, wir sind uns neulich beim Festmahl des Großen Schatzmeisters begegnet, wenn ich nicht irre?«
»Ja, das ist richtig.«
»Ich wusste gar nicht, dass Ihr befördert wurdet.«
»Das ist auch noch nicht lange her.«
»Erlaubt, dass ich Euch dazu beglückwünsche und Euch eine erfolgreiche Zukunft wünsche. Was fehlt Euch denn?«
»Ich erfreue mich bester Gesundheit, aber ein Priester aus dem Tempel von Sais hatte einen schweren Unfall.«
Horkheb hüstelte gereizt.
»Für solche Notfälle bin ich nicht zuständig.«
»Ja, ich weiß, aber der Hohepriester Wahibra wäre Euch unendlich dankbar, wenn Ihr eine Ausnahme machen könntet. Außerdem könnt Ihr Eure Bezahlung selbst festlegen, und er würde dem König von Eurem großzügigen Einsatz berichten.«
»Als Arzt bin ich zum Helfen verpflichtet«, fügte sich Horkheb schließlich.
Dann befahl er seinem Helfer, alle Patienten auf den nächsten Tag zu vertrösten, und folgte der schönen jungen Frau, die so köstlich nach Jasmin duftete, dass ihm ganz schwindlig davon wurde.
»Was für ein Unfall war es denn?«
»Ein schwerer Sturz.«
»Ist der Patient bewusstlos?«
»Nein, der Verletzte ist bei Bewusstsein.«
»Das ist ein gutes Zeichen! Habt Ihr ihn bewegt?«
»Wir haben lediglich etwas Balsam auf seine Wunden gegeben.«
Nitis führte den Arzt zu einem Anbau außerhalb des Tempels, in dem die diensthabenden reinen Priester untergebracht waren.
In Gedanken bei der besonders hohen Summe, die er für diesen Einsatz verlangen wollte, betrat Horkheb guter Dinge den Raum, in den man ihn führte – und blieb plötzlich wie versteinert stehen.
Vor ihm stand der Schreiber und Übersetzer Kel.
»Warum habt Ihr mir Betäubungsmittel verabreicht, und wer hat Euch das befohlen?«
Die jungen Leute hatten nicht damit gerechnet, dass der Doktor so heftig reagieren würde.
Er ließ seine Tasche los, stieß Nitis um und stürzte so schnell er konnte davon.
Kel machte sich sofort an seine Verfolgung.
Gab es ein besseres Geständnis? Indem Horkheb sein Opfer und den angeblichen Mörder erkannte, bewies er seine Mittäterschaft an der Verschwörung. Natürlich hatte man ihm hoch und heilig versprochen, dass er diesen Schreiber nie wiedersehen und überhaupt von der ganzen Geschichte nie wieder etwas hören würde.
Horkheb bereute das viele reichliche Essen, das er sich gönnte, weil er schon bald außer Atem war und nicht mehr lange so würde weiterlaufen können. Als er in eine überfüllte Gasse bog, stieß er in vollem Lauf mit einem Mann zusammen, der eine Herde Esel, die mit Getreidesäcken beladen waren, anführte, und fand sich am Boden wieder.
Einige Tiere bockten, andere schlugen aus und ein paar Esel schrien empört. Die Ladung von dem Leittier löste sich von dessen Rücken und landete auf dem Arzt. Außer sich vor Wut verpasste der Eselstreiber dem vermeintlichen Dieb, der ihm seine Ware rauben wollte, mehrere heftige Stockschläge. Und zwei Vierbeiner, die sich losgerissen hatten, trampelten mit ihren harten Hufen auf dem Angreifer herum.
»Aufhören! Hört sofort auf!«, brüllte Kel.
Das Gesicht voller Blut und mit gebrochenen Gliedmaßen konnte Horkheb nur noch jämmerliche
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