Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
und die kann er nur von Euch erfahren.«
»Bitte verzeiht, dass ich solchen Unfrieden in Euer Dasein bringe, Nitis. Ich fühle mich schuldig und …«
»Maats Gesetz ist das Einzige, was zählt«, unterbrach sie ihn. »Wie könnte ich untätig bleiben, wenn ich weiß, dass Ihr unschuldig angeklagt seid?«
»Euer Vertrauen in mich rührt mich zutiefst, und ich möchte Euch so viel sagen …«
Im Dämmerlicht sah er ihr Gesicht nur undeutlich.
»Was wollt Ihr mir denn sagen?«, fragte sie leise.
Da hörten sie Wahibra zurückkommen.
»Richter Gem ist einverstanden, er will dich treffen«, berichtete er. »Das ist ein außergewöhnlicher Gefallen, den er mir nicht noch einmal gewähren wird. Du wirst deine ganze Überzeugungskraft benötigen, Kel.«
49
M it seinen Bartstoppeln, dem abgetragenen Gewand und den billigen Sandalen sah Kel wirklich nicht wie ein angesehener Schreiber aus dem Übersetzeramt aus.
Der Esel Nordwind freute sich über das Wiedersehen mit ihm und begrüßte ihn fröhlich. Kel streichelte das Grautier ausgiebig, während er Bebon erzählte, dass er sich mit Richter Gem treffen wollte.
»Bist du jetzt ganz verrückt geworden!«, schimpfte der Schauspieler. »Das ist mit Sicherheit eine Falle. Wie kannst du nur glauben, dass er allein kommen wird? Ehe du überhaupt etwas zu ihm gesagt hast, wird eine Horde von Häschern über dich herfallen.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit, ihn von meiner Unschuld zu überzeugen.«
»Er hört dich doch gar nicht erst an!«
»Der Hohepriester hat mir aber das Gegenteil versprochen.«
»Und wenn der auch zu den Verschwörern gehört?«
»Ausgeschlossen.«
»Dass man dich eines Mordes verdächtigt – hättest du das nicht auch für ausgeschlossen gehalten? Wahibra will dich loswerden und seinen guten Ruf schützen. Deshalb verkauft er dich an das Gericht. Ein Gericht, das dich bereits verurteilt hat.«
»Ich werde sie eines Besseren belehren.«
»Das ist doch der reine Wahnsinn!«
»Hast du nicht selbst beim Würfeln gewonnen, als du das Schicksal um Hilfe bitten musstest?«
»Ich hatte wenigstens eine gewisse Aussicht darauf zu gewinnen! Mach dir doch nichts vor, Kel. Wenn du dich auf dieses Gespräch einlässt, begibst du dich in die Höhle des Löwen.«
»Ich habe keine Wahl, es gibt keinen anderen Ausweg. Richter Gem hat versprochen, dass er mich unter vier Augen treffen will, an einem Ort, den der Hohepriester vorschlägt, ohne irgendeinen Ordnungshüter, und dass er mich auf keinen Fall festnehmen lässt, ehe er mich angehört hat. Und meine Beweise und Neuigkeiten werden ihn so überzeugen, dass er seine Meinung ändert. Dann muss er neue Nachforschungen anstellen lassen. Sind diese erst in Gang, rettet mich die Wahrheit.«
Bebon war am Boden zerstört.
»Deine Gutgläubigkeit entsetzt mich!«
»Wenn die Sonne am höchsten steht, erwartet mich Richter Gem in einer Töpferwerkstatt, die zum Neith-Tempel gehört. Um diese Zeit sind die Handwerker beim Mittagessen.«
»Geh nicht hin, mein Freund, ich bitte dich.«
»Das kommt nicht in Frage.«
Bebon seufzte auf.
»Ich werde mich an Ort und Stelle umsehen. Sollte ich Schnüffler entdecken, stimme ich ein lustiges Lied an, dann unterhalte ich mich laut mit meinen nicht vorhandenen Freunden und hoffe darauf, dass Nordwind mich mit seinem Geschrei unterstützt. Dann läufst du davon, so schnell du kannst. Wir treffen uns am nördlichen Stadttor.«
»Und wenn du diesen Radau nicht veranstaltest, treffe ich mich mit Richter Gem.«
Die Handwerker saßen im Schatten einer Sykomore und aßen gemeinsam zu Mittag. Sie unterhielten sich über die letzte Bestellung aus dem Tempel und die neue Haltung des Königs, die immer griechenfreundlicher wurde. Nun – Ägypten war jedenfalls gut verteidigt, und man lebte in Sicherheit vor einem fremden Überfall.
Bebon und Nordwind zogen lange durch das Viertel. Der Schauspieler ging durch jede noch so enge Gasse und vergaß auch nicht, nach oben zu schauen, um Dächer und Terrassen zu untersuchen. Obwohl er sonst die Anwesenheit der Ordnungskräfte förmlich riechen konnte, fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf.
Darüber wunderte er sich noch, als er einen älteren Herrn mit ernster Miene und herrischem Auftreten auf der Bildfläche erscheinen sah.
Dann betrat Richter Gem die Töpferwerkstatt. Bebon verdoppelte seine Aufmerksamkeit. Die Wachen konnten nicht mehr weit sein. Es vergingen einige Minuten, aber alles blieb ruhig.
Jetzt ging Kel auf
Weitere Kostenlose Bücher