Götterschild
Shyrali zurückhaltend. »Du hast mir gefehlt.«
»Bevor du von Andobras abgereist bist, hatten wir ja kaum noch Gelegenheit zu reden«, erinnerte sich Meatril. »Ich war nach Derans und Eringars Tod eine ganze Weile nicht wirklich bei mir. Ich fühlte mich so elend, dass ich gar nicht richtig mitbekommen habe, wie du dich verabschiedet hast. Hoffentlich war ich nicht zu unhöflich. Warum hast du denn Andobras überhaupt den Rücken gekehrt?«
Shyrali schluckte. »Ich habe es irgendwann nicht mehr ausgehalten, dich so am Boden zerstört zu sehen, ohne dass du mir erlaubt hast, dir zu helfen.«
Meatril starrte betroffen geradeaus. »Waren deine Wunden vom Kampf mit den Schwarzlanzern überhaupt schon verheilt?«, erkundigte er sich nach einer Weile.
»Nicht wirklich«, antwortete sie knapp. »Aber ich habe mich dann in Tar’Tianoch von den königlichen Ärzten zusammenflicken lassen. Die wissen wenigstens, was sie tun – nicht so wie die Pferdemetzger, die sich auf Andobras als Wundheiler verdingen.« Shyrali kicherte leise. »Da wird selbst ein kleiner Schnitt zur riesigen Narbe. Das konnte ich nicht riskieren, schließlich muss jemand in meinem Beruf auf seinen Körper achten. Ich kann nicht herumlaufen wie ein Veteran von Arch Themur.«
Meatril musste schmunzeln. »Ich denke, da besteht keine Gefahr.« Dann fragte er eher beiläufig. »Und wie steht es in Tar’Tianoch? Wie ist die Auseinandersetzung zwischen Techel und Megas verlaufen?«
Ihre Augen funkelten ihm durch die Dunkelheit entgegen. »Eigentlich darf ich dir darüber gar nichts sagen. Ich arbeite immer noch für Jorig Techel.«
»Dann hättest du mir auch keine Nachricht schicken dürfen, dass die Passage bei Tilet wieder frei ist, weil Techel Ho’Neb angreift«, erwiderte Meatril lächelnd.
»Das ist richtig«, bekannte Shyrali, »man könnte mich als Verräterin bezeichnen.« Sie sah wieder zu Boden. »Na ja, um es kurz zu machen«, gab sie schließlich doch noch Auskunft, »es war ein ziemlicher Reinfall. Ich hatte ein wenig mit der Vorbereitung des Angriffs zu tun. Ein bisschen kundschaften hier, etwas ausspionieren dort … du weißt schon, was ich halt so mache. Eigentlich war alles perfekt geplant und uns wurde sogar aus verlässlicher Quelle zugetragen, dass sich der Citarim nicht einmischen würde. Aber Megas hat irgendwie von dem Angriff Wind bekommen und seine Flotte zu früh von Tilet zurück nach Lechia verlegt. Um ein Haar hätten wir trotzdem die Hauptstadt Ho’Nebs eingenommen, doch es sollte wohl nicht sein. Eine ziemlich bittere Niederlage für Techel, aber noch ist er nicht am Ende.«
Meatril nickte langsam und seine Hände schlossen sich zu Fäusten. »Es scheint, Megas hat wirklich immer das Glück auf seiner Seite«, knurrte er. »Noch niemals zuvor gab es jemanden, von dem ich behaupten konnte, dass ich ihn zutiefst hasse. Aber bei ihm trifft es zu. Und ausgerechnet Megas hat nun Daia und Tarana in seiner Gewalt. Da kann ich es Targ schon nachfühlen, wenn er manchmal jede Besonnenheit und Rücksicht über Bord wirft.«
»Und eben deshalb könnte ich es verstehen, wenn du selbst nach Daia suchen willst«, versicherte Shyrali ernst. »Immerhin hast du mir nie etwas vorgemacht. Sie ist es, die du liebst.«
Meatril schnaubte unwillig. »Ich möchte verhindern, dass ihr etwas geschieht, das heißt aber nicht, dass ich sie noch liebe. Bevor ich wusste, dass sie in Gefahr ist, hatte ich es jedenfalls nicht sehr eilig, sie wieder zu sehen, das kannst du mir glauben.«
»Was willst du mir damit sagen?«, fragte Shyrali leise, während sie anfing, nervös ihre Handflächen gegeneinanderzureiben.
»Ich … ich weiß es nicht«, stammelte Meatril. »Ich mag dich sehr und ich bin dir unsagbar dankbar für deinen Mut und deine Hilfe. Gerade jetzt, da sich überall dunkle Gewitterberge aufzutürmen scheinen, bist du mein einziger Lichtblick. Aber es ist einfach eine schlechte Zeit für Liebe, fürchte ich.«
Im gleichen Moment schmeckte er ihre heißen Lippen auf den seinen und diesmal erwiderte er ihren Kuss mit derselben Leidenschaft. Er vergrub seine Hände in ihrem weichen, berauschend duftenden Haar und bedeckte ihr ganzes Gesicht mit seinen Küssen. Schließlich drückte er sie einfach nur fest an sich und genoss ihre Nähe, vor der all seine bösen Erinnerungen flohen wie Schatten vor dem Licht. Die Entbehrungen seiner langen Gefangenschaft fielen in diesem Moment von ihm ab und erst jetzt fühlte er sich wahrhaft
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