Goettersterben
antreffen, vermutlich bis sie Liverpool erreichten.
Schließlich kamen sie zu der Kammer, in der der unfreundliche Matrose mit der Pumpe gewartet hatte. Die Pumpe war noch da, und auch die Schläuche lagen noch im selben wirren Durcheinander wie vor drei Tagen, aber von der Mannschaft war keine Spur mehr zu sehen. Andrej bedeutete Bresto mit einer knappen Geste, zurückzubleiben – er sah nicht so aus, als wäre er besonders unglücklich über diese Entscheidung –, und trat dicht hinter Abu Dun in die angrenzende Kammer. Die Bodenklappe, unter der er vor zwei Tagen um ein Haar ums Leben gekommen wäre, war jetzt sorgsam verschlossen und zusätzlich mit einem Vorhängeschloss gesichert. Andrej fing trotzdem einen schwachen Hauch von faulendem Wasser auf, der durch die Ritzen der massiven Klappe heraufdrang. Und da war noch etwas. Etwas … Totes.
»Verrätst du mir, was du hier suchst?«, fragte Abu Dun. »Irgendetwas hat mich dort unten beinahe umgebracht«, sagte Andrej.
Abu Dun machte ein erstauntes Gesicht. »Tatsächlich? Warum hast du mir nie davon erzählt?«
Andrej ignorierte die Worte. »Es gibt keinen Weg von außen dort hinein«, sagte er. »Wer oder was auch immer mich angegriffen hat, hat dort unten auf mich gewartet.« Abu Dun nickte zustimmend. »Und?«
Darauf konnte Andrej nur mit einem Schulterzucken antworten. Es war die einzige Spur, die sie hatten. Sie war erbärmlich, aber trotzdem die einzige. Abu Dun sah ihn noch einen Moment erwartungsvoll an, seufzte dann leise und brach das Schloss ohne Anstrengung heraus. Als er die Klappe aufzog, wurde aus dem schwachen Hauch nach verdorbenem Wasser ein Fäulnisgestank, der ihnen fast den Magen umdrehte. Darunter war nichts als völlige Finsternis. Andrej setzte dazu an, sich unverzüglich in die Bilge hinabzuschwingen, aber Abu Dun hielt ihn rasch zurück und wandte sich zu Bresto um, der ihnen zwar gefolgt war, es aber nicht wagte, die Kammer ganz zu betreten, sondern unter der Tür Halt gemacht hatte. »Könnt Ihr uns eine Lampe besorgen, Lieutenant?«
Bresto verschwand, ohne sich auch nur die Zeit für eine Antwort zu nehmen. Abu Dun wartete, bis seine Schritte verklungen waren, und wandte sich dann in der Hocke ganz zu Andrej um. »Findest du es nicht auch seltsam?«, fragte er dann.
Andrej nickte heftig. »Sicher«, sagte er überzeugt. »Was?«
»Dass Rodriguez ihm das Kommando über dieses Schiff gegeben hat«, antwortete Andrej ernst. »Der Bursche ist doch noch ein Kind.«
»Das war Alexander auch, als er die halbe bekannte Welt erobert hat«, erwiderte Andrej nachdenklich und nickte schließlich. »Vielleicht ist der gute Captain der Meinung, dass es immer noch besser ist, einem Kind das Kommando über dieses Monstrum anzuvertrauen als einer Bande von Halsabschneidern und Strauchdieben.« Abu Dun wies ihn nicht darauf hin, was für einen Unsinn er redete, und auch Andrej fragte sich, warum er versuchte, Bresto zu verteidigen. Bresto mochte ein noch fast unbedarfter Junge sein, der sein Mitgefühl verdient hatte, aber er hatte auch von Anfang an wenig getan, um seine Freundschaft zu erlangen. Ganz im Gegenteil. Andrej versuchte gerade, diesen Gedanken in Worte zu kleiden (und ertappte sich schon wieder dabei, nach Argumenten zu suchen, die für den jungen Lieutenant sprachen), als Bresto auch schon zurückkam und nicht eine, sondern gleich zwei heftig flackernde Laternen mitbrachte. Eine stellte er dann dicht vor der Tür auf den Boden, die andere reichte er an Abu Dun weiter und zog sich dann schon beinahe fluchtartig wieder aus der Kammer zurück.
»Verratet Ihr mir, was Ihr dort unten sucht?«, fragte er nervös.
»Sicher«, antwortete Abu Dun. »Sobald ich es selbst weiß. Du wartest hier.« Die letzten Worte galten Andrej, und bevor dieser verstand, was er vorhatte, sprang er kurzerhand in die Tiefe hinab. Ein gewaltiges Platschen machte klar, dass das Schiff vielleicht nicht mehr zu sinken drohte, dort unten aber noch immer Wasser eindrang.
Andrej wartete einen Moment lang vergebens darauf, dass Abu Dun etwas sagte, aber alles, was er hörte, waren die platschenden Schritte des Nubiers, die sich zusammen mit dem flackernden Schein seiner Laterne langsam von der Klappe entfernten.
»Darf ich Euch … eine Frage stellen, Señor?«, fragte Bresto hinter ihm.
»Tut Ihr das nicht schon die ganze Zeit, Lieutenant?«, erwiderte Andrej, ohne sich zu ihm umzudrehen. Abu Duns Schritte wurden allmählich leiser, und das Licht seiner Laterne war
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