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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Schütz
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Püppchens glitt, fiel ihm ein Fetzen Pergament an ihm auf. Er drehte die Puppe um. Das Pergamentstück war mit einem Nagel an den Stoff gesteckt worden. Auf ihm stand in zittrigen Tintenbuchstaben:
    Geld in zwei Tagen. Sonst sind die Mädchen tot.
    Rowen steckte die Puppe unter seine Tunika, kauerte sich auf den glitschigen Fliesen zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen. Er weinte so bitterlich wie noch nie zuvor in seinem Leben. Selbst als der Rote Tod ihm seine Eltern genommen hatte, war er nicht so verzweifelt gewesen. Er heulte, schluchzte, wischte sich die salzigen Tränen von den Lippen, wiegte sich hin und her.
    Zwei Tage waren unmöglich. Selbst zwei Dutzend Tage waren unmöglich. So viel Geld konnte er niemals auf die Schnelle beschaffen. Wieso wollte Marentius auf einmal doch das Geld und nicht mehr dieses merkwürdige Buch? Hatte er es etwa von einem seiner anderen Diebe besorgen lassen?
    Irgendetwas musste ihm einfallen. Es musste eine Lösung geben.
    Grübelnd rappelte sich Rowen auf und lief zum zerstörten Regal. Zwischen den Trümmern las er mehrere Phiolen auf, in denen eine violette, mit gelben Bröckchen versetzte Flüssigkeit hin und her schwappte. Clodias Arzneien. Setzte man sie auch nur einen Tag aus, zeigten sich bereits wieder Symptome des Roten Todes – sie hustete Blut, wurde von Magenschmerzen gemartert und schwitzte irgendwann sogar Blut.
    Was sollte er nur tun? Rhythmisch tockte er mit einer der Phiolen gegen seine Stirn. Vielleicht brachte das seine trägen Gedanken in Schwingung. An einen Befreiungsversuch war nicht zu denken. Marentius hielt seine Schwestern vermutlich in seinem Laden in Sturzstadt gefangen, trotzdem würde es Rowen allein nicht gelingen, dort einzudringen. Marentius kannte seine Klientel, die Diebe, zu gut, als dass er irgendein Schlupfloch offen gelassen hätte.
    Rowen erinnerte sich mit einem Mal an die Worte des seltsamen Salus.
    »Solltest du irgendwann einmal in Schwierigkeiten sein, können wir dir helfen. Du findest uns in der Taverne Zum Hüpfenden Schwammling im Xallusviertel, unten in Sturzstadt.«
    Er hätte nicht gedacht, dass nur so wenig Zeit vergehen würde, bis ein Besuch in der Taverne nötig wurde.

Das Reich der Gestürzten
    In Sichelstadt gab es ein beliebtes Sprichwort:
    »Müll landet in der Tonne, Scheiße im Abort, Dreck in der Gosse und der Abschaum in Sturzstadt.«
    Auch wenn es viele Fremde glaubten, rührte der Name Sturzstadt nicht daher, dass dort all diejenigen endeten, die in ihrem Leben gestürzt waren. Vielmehr kam der Name daher, dass es zur Zeit der Alten Monarchen eine große Zahl an Selbstmördern gegeben hatte. Unter den Adeligen der damaligen Zeit hatte es den hirnrissigen Glauben gegeben, man dürfe nicht länger leben, wenn man Schande auf den Namen seines Hauses geladen hatte.
    Also hatten sich Prinzen, die sich als feige erwiesen oder auch nur in der Hochzeitsnacht im Bett versagt hatten, von der Oberstadt in das Viertel zu Füßen des Sichelfelsen gestürzt, das damals noch schlicht Unterstadt geheißen hatte.
    Wenn ich mich jedes Mal, wenn ich dem Namen meiner Familie Schande eingebracht hätte, von irgendeinem Fels gestürzt hätte, wäre ich schon Dutzende Male tot , dachte Rowen auf dem Weg durch Sturzstadt.
    Das Leben hier spielte sich in der Nacht ab und so trieb das erste Morgenlicht die Gestürzten wieder in ihre düsteren Schlafstätten. Mietkasernen ragten zu beiden Seiten der engen Gassen in die Höhe, nur zu dem Zweck erbaut, möglichst viele Menschen auf möglichst wenig Platz unterzukriegen. Billig aus dem Boden gestampft und billig vermietet. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht eine von ihnen einstürzte oder abbrannte.
    »Mmmh, mmmh!« Ein Bettler, der keine Beine mehr hatte und stattdessen in einem notdürftig zusammengezimmerten Wägelchen über das Pflaster rollte, klammerte sich an Rowens Beinlinge. »Brooot! Huuunger!«
    »Ich habe nichts, alter Mann!« Er riss sich los und entkam dem Gestank nach Pisse und ungewaschenen Haaren.
    Schon als er einen weiteren Schritt tat, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Er griff in die Tasche seiner Tunika und fühlte sechs Binare, wo eigentlich sieben sein sollten.
    Mit offenem Mund wandte er sich zu dem Krüppel um, der schon auf seinem quietschenden Wagen das Weite suchte. Ein Dieb, der bestohlen wurde. Normalerweise hätte er so etwas sofort bemerkt, aber in all seiner Aufregung hatte der Alte in Ruhe die Griffel in Rowens Tasche gleiten lassen

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