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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Vorgehensweise.«
    »Eine ungewöhnliche, Kollege. Man wird Sie möglicherweise angreifen, weil Sie den philosophischen Ansatz vernachlässigen.«
    »Dann werde ich entsprechend argumentieren. Aber so weit bin ich noch nicht. Zuerst brauche ich ein Thema, auf das ich mich konzentrieren kann.«
    »Liegt es nicht nahe, Doktor Jantzen?«
    »Liegt es das?«
    »Das Zusammenwirken von Botanik und Medizin finden Sie am einfachsten in unserer Ernährung. Korrespondieren Sie mit Liebig in Göttingen, der ist ein heller Kopf. Hab ihn als Student hier in Bonn kennengelernt. Ich schicke Ihnen ein Einführungsschreiben.«
    »Sie sind überaus großzügig, Herr Doktor Bevering.«
    »Ich schätze engagierte junge Forscher. Aber nun ist es spät geworden, ich habe noch eine Einladung heute Abend.«
     
    Als Doktor Bevering gegangen war, kehrte Jan Martin zurück in seinen Erker. Über dem Kasten mit den Gloxinien-Keimlingen brannte eine Lampe, denn die Pflänzchen gediehen besser in der Helligkeit, doch ansonsten war es dunkel. Draußen erstreckte sich das breite Band des Rheins, und am anderen Ufer erhob sich der volle Mond über den Hügeln des Siebengebirges. Er hinterließ eine goldene Straße auf dem Wasser.
    Sacht streichelte Jan Martin die breiten Blätter seines noch sehr kleinen Bananenbaums und erinnerte sich sehnsüchtig an den Mond über dem karibischen Meer. Nur selten erlaubte er sich, an jene Zeit zu denken. So schrecklich Schiffbruch und Zwangsarbeit waren, die Monate im warmen Klima, der fließende Rhythmus des Lebens, die schweren Gerüche, die Musik, die Trommeln und die Tänze vermisste er manchmal. Das Leben in dem luftigen, hellen Herrenhaus mit seinem schattigen Patio, die Stunden im Segelboot auf der See, die flirrenden Sonnenfunken auf dem türkisfarbenen Wasser – wie anders war das als die kalten, trüben Novembertage. Die warmen, duftenden Nächte, die Geräusche der tropischen Lebewesen, das Zirpen und Singen, das Rauschen der Brandung, das Rascheln der Palmen vermisste er in den langen Winternächten.
    Er vermisste den Duft des Kakaos.
    Und eine schöne, anschmiegsame Geliebte. Manchmal dachte er an Inez. Aber sie war ein sehr junges Mädchen, fast ein Kind noch. Wenn auch ein sehr kluges und wissbegieriges. Sie hatte ihm einen langen Brief geschrieben, nachdem er die Familie vom Tod Gilberts unterrichtet hatte. Daraus war eine regelmäßige Korrespondenz entstanden. Ihr Interesse an den Kakaopflanzen war weiter gewachsen, und er sandte ihr Bücher und Fachartikel, beantwortete ihre Fragen und teilte ihre Überlegungen.
    Kakao – ein kostbares, empfindliches Handelsgut, das sein Vater einzuführen sich weigerte. Eine schwierige Pflanze, die zu kultivieren nur unter besonderen Bedingungen gelang. Ein anregender Genuss, ein gehaltvolles Getränk, teuer und schwierig zu verarbeiten.
    Was machte es so begehrenswert?
    Warum nahmen die Menschen dafür so viel Mühe auf sich?
    Warum verehrten die amerikanischen Völker die Schokolade als göttliche Speise?
    Was beinhaltete die Kakaobohne, und wie wirkte sie auf den Organismus? Hatte sie Heilwirkung? Oder konnte der Genuss auch schädlich sein?
    Was geschah bei der Fermentierung, bei der Trocknung, beim Rösten?
    Wie konnte man den Ertrag verbessern?
    Konnte man den Baum möglicherweise auch in Europa anbauen?
    Mehr und mehr Fragen stellten sich ihm, als er in die mondhelle Nacht schaute.
    Keine von ihnen konnte er beantworten.
    Eine andere aber fand Antwort: Sein Forschungsgebiet würde der Kakao sein.
    Alles andere würde sich dann finden.
    Vielleicht sogar eine zärtliche Geliebte.

Eine einsame Entscheidung
    Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
    Weihnachten, Eichendorff
     
     
    »Die Preußenziege hat schon wieder die Bestellungen nachgerechnet«, zischelte Herta ihrer Kollegin zu. Und als ich mit dem schweren Tablett voll Kuchentellern an Bert, dem Oberkellner, vorbeiging, kniff der mich schmerzhaft in meine Kehrseite. Einen kleinen Moment schwankte das Tablett, und die Teller klirrten leise, dann zauberte ich wieder mein höfliches Lächeln auf mein Gesicht und trug die Speisen und Getränke zu den Tischen, für die sie bestimmt waren. Der schneidige Kürassier bekam seinen schwarzen Kaffee und flüsterte mir eine vertrauliche Einladung zu, vor dem blondgelockten Schauspieler stellte ich den Teller mit dem Fruchtcremetörtchen ab und hörte mir sein gewagtes

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