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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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eigenes Haus, ein eigenes Heim.
    Aber seiner Tochter Julia schrieb er einen langen Brief und schilderte ihr darin das Häuschen und wie er es einzurichten plante. Und mit einem kleinen Lächeln fügte er auch die Episode hinzu, wie der großherzige Hannes seinem alten Hund seine geliebten Schokoladenfrüchte angeboten hatte.

Ein möblierter Herr mit Wintergarten
    Diejenigen, die vernünftig essen, sind zehn Jahre jünger als jene, denen diese Wissenschaft fremd ist.
    Jean Anthelme Brillat-Savarin
     
     
    Jan Martin wühlte in Blumenerde, eine Beschäftigung, der er besonders gerne nachging. Dass er es in seinen eigenen vier Wänden tun konnte, befriedigte ihn besonders. Gut, es waren gemietete Wände und auch nur eine Etage einer vornehmen Villa, aber die beste, und der verglaste Erker, in dem er werkelte, bot eine wunderbare Aussicht auf den Rhein. Nicht ausschließlich zu dekorativen Zwecken pflanzte er Bromelien und Bananenbäumchen, Anthurien und Bougainvilleen, obwohl manche Blüten ihn erfreuten. Es war vornehmlich sein botanisches Interesse an den tropischen Pflanzen. Derzeit pikierte er die eben gekeimten Gloxinien, deren staubfeinen Samen er vor zwei Wochen von dem Inspektor des botanischen Gartens, Wilhelm Sinning, erhalten hatte.
    Seit einem Jahr lebte Jan Martin in Bonn. Nach dem furchtbaren Unglück in Berlin war er eine Weile zutiefst erschüttert gewesen. Der gewaltsame Tod seines Freundes Gilbert hatte ihm stark zugesetzt. Dennoch bewahrte er die Fassung und versuchte, die Angelegenheiten zu regeln. Eine der schwersten Pflichten war es, die Familie Valmont vom Ableben ihres Sohnes zu unterrichten. Aber er hatte auch versucht, Amara zu helfen. Er machte seine Aussagen gegenüber den Behörden, und man erlaubte ihm sogar, der ärztlichen Untersuchung des Leichnams beizuwohnen. Sein Berliner Kollege war skeptisch gewesen. Selbstverständlich kannte auch er die Symptome des Wundstarrkrampfes, aber er wies darauf hin, dass sich an Gilberts Körper keinerlei Verletzungen fanden, die diese Krankheit hätten auslösen können. Jan Martin widersprach vehement. Auch oberflächliche, schon verheilte Wunden konnten Ursache dafür sein. Man stimmte ihm unter Vorbehalt zu. Immerhin hatte das Opfer unter heftigen Krämpfen gelitten, das hatten mehrere Zeugen beobachtet.
    Aber dann war Amara aus dem Untersuchungsgefängnis entwichen, und man war sich einig, sie müsse tatsächlich etwas mit Gilberts Tod zu tun gehabt haben.
    Was, darüber bestand allerdings Unklarheit.
    Jan Martin glaubte weiterhin an ihre Unschuld, aber auch er fragte sich immer wieder, was der Auslöser der Krämpfe gewesen war. Hatte sein Freund irgendeine giftige Substanz zu sich genommen? Hatte er an einem Schaden des Gehirns gelitten? Er klagte manchmal über Kopfschmerzen, die er aber nicht besonders ernst genommen hatte. War es ein plötzlicher epileptischer Anfall, der durch irgendetwas ausgelöst worden war? Noch einmal erkundigte er sich sehr eingehend bei Madame Galinowa, woher sie den Kakao bezog und wie sie das Getränk herstellten, konnte aber auch dabei nichts Auffälliges finden. Flüchtig streifte ihn der Gedanke, ob Baroness Dorothea Gilbert etwas anderes als Muskatnuss in den Kakao gegeben haben könnte, aber diese Spekulation verwarf er sofort wieder. Das junge Mädchen machte keinen besonders hellen Eindruck auf ihn, ein oberflächliches, gefallsüchtiges Ding, dessen vornehmstes Ziel es war, sich einen Mann zu angeln. Schließlich hatte er es aufgegeben weiterzuforschen und war abgereist. In Berlin hielt ihn nichts mehr, und in Bonn wartete der botanische Garten auf ihn.
     
    Jan Martin war froh, dass er die Zimmer in der Villa am Rhein gefunden hatte. Zwar hätte er in das Poppelsdorfer Schloss ziehen können, aber das Gebäude, das der botanischen Fakultät als Sitz und den Universitätsangehörigen als Unterkunft diente, war nur notdürftig zu Wohnungen umgebaut worden, und die verfallene marmorne Pracht hatte ihn abgestoßen. Die Lage auf dem Bonner Wohnungsmarkt war angespannt, denn die zahlreichen Studenten suchten Unterkunft am Studienort. Erfreulicherweise hatte sein Vater ihm finanzielle Unterstützung angeboten. Von dem Gehalt als Assistent des Leiters der botanischen Fakultät hätte er sich die Miete nicht leisten können. Überhaupt, seine Familie war überglücklich gewesen, als er heimgekehrt war, und sie hatten Gilbert mit einer Herzlichkeit aufgenommen, die für ihre reservierte norddeutsche Art ganz und gar

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