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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Kompliment an, dem graubärtigen Apotheker brachte ich die Kännchen schwarzen Tee und erwiderte sein kleines Augenzwinkern. Den beiden Damen am Fenster servierte ich mit zurückhaltendem, der jungen Frau in der Ecke mit einem herzlichen Lächeln ihre Bestellungen.
    Das Lächeln saß auch noch in meinen Mundwinkeln, als ich an Bert auf dem Rückweg vorbeiging und ihm mit aller Kraft auf den Spann trat.
    Es klirrte und schepperte, als er seine Last fallen ließ, und Tee, Kaffee, Sahnetorte und Mürbeteig vermischten sich mit den Porzellan- und Glassplittern zu seinen Füßen.
    »Hungsveh!«, brüllte er. »Verdammte aal Quisel!«
    »Was ist denn hier schon wieder los?«
    Christian Müller, der Besitzer von Müllers Caffeehaus, kam, von dem Krawall angezogen, in den Anrichteraum, wo die drei Kellner und ich Gebäck und Getränke abholten, um sie den Gästen zu servieren.
    »Die Schlampe...«, fing Bert an zu jammern, aber ich beschied kühl: »Der werte Kollege hat mich unsittlich gezwickt, Herr Müller, und das nicht zum ersten Mal. Im Übrigen empfehle ich Ihnen, die Kassenbelege etwas genauer nachzurechnen. Hier wird auf Ihre Kosten fleißig unterschlagen.«
    Fassungslos starrte der Cafébesitzer mich an. Bisher war ich ein Musterbild von Zurückhaltung und Ehrerbietung gewesen, und jetzt brach ich plötzlich einen Streit vom Zaun und beschuldigte seine Stammmannschaft auf das Übelste.
    »Was soll das heißen, Ella Wirth?«, fuhr er mich an.
    »Genau das, was ich gesagt habe.«
    »Dat lügt, dat Ravenoos!«, keifte jetzt Herta auch los, und die anderen stimmten lauthals zu. Müller stand einigermaßen hilflos in dem Gezeter und wusste sich nicht anders zu helfen, als mich anzufahren: »Machen Sie den Dreck weg, und dann kommen Sie in mein Kontor!«
    »Den Dreck wird Bert wegmachen, und wir unterhalten uns jetzt am besten gleich, Herr Müller.«
    »Sie wagen es, sich meinen Anordnungen zu widersetzen?«
    »Selbstverständlich.«
    Müller sah mich an, als ob mir plötzlich Hörner gewachsen wären. Dann drehte er sich um und stiefelte in den hinteren Raum, in dem er seine Bücher führte. Ich folgte ihm.
    Seit einem knappen Jahr arbeitete ich bei Müller in der Hohen Straße, und gleich von Beginn an hatte ich unter den ständigen Sticheleien der Angestellten zu leiden gehabt, die mir vor allem meine professionelle Haltung übel nahmen. Ich schwätzte nicht über die Kunden, ich mogelte nicht bei der Abrechnung, ich naschte nicht von den Kuchen oder ließ Gebäck in meiner Schürzentasche mitgehen. Vor allem aber sprach ich Hochdeutsch, konnte mich mit den englischen Besuchern fließend verständigen, kam pünktlich zur Arbeit, und meine Schürze war immer fleckenlos. Kurzum, ich war den Mädchen und den Kellnern viel zu preußisch.
    Die Stellung und das Zimmer oben unter dem Dach des Caffeehauses verdankte ich MacPherson, der mich von Elberfeld mitgenommen hatte. Zu seinen zahlreichen Ansprechpartnern gehörte auch der Besitzer des Cafés, und ihm hatte er mich empfohlen. Zwar ließ Müller mich nicht als Zuckerbäckerin arbeiten und hätte mich auch in den Anrichteraum verbannt, wären da nicht meine Sprachkenntnisse gewesen. Die Engländer besuchten in den letzten Jahren vermehrt die deutschen Lande, und vor allem der romantische, vielbesungene Rhein hatte es ihnen angetan. Eine der wichtigen Stationen auf ihrer Tour war natürlich Köln, und da die meisten von ihnen sich nicht die Mühe machten, mehr als nur drei Worte Deutsch zu lernen, war eine Bedienung, die sich mit ihnen verständigen konnte, für einen Gastwirt Gold wert.
    Müller stand an seinem Schreibtisch und wippte empört auf den Füßen. Er war ein kleiner Mann mit rundem Bauch und wirkte wie ein aus dem Gleichgewicht gebrachter Brummkreisel. Ich mochte ihn nicht besonders, er hatte immer wieder versucht, mich zu ducken oder zu übervorteilen. Es war nicht persönlich, er behandelte alle seine weiblichen Angestellten, als wären sie hohlköpfige Hühner, die dankbar sein müssten, dass er sie überhaupt anstellte. Ich blieb mit über der Schürze gefalteten Händen vor ihm stehen und sah ihn unverwandt an. Das irritierte ihn offensichtlich, denn er musste sich erst mehrmals räuspern, bevor er etwas sagen konnte.
    »Das Porzellan und die Ware wird Ihnen vom Lohn abgezogen«, knurrte er dann.
    »Genau den Punkt wollte ich auch ansprechen, Herr Müller. Sie sind mir den Lohn des letzten Monats noch schuldig. Ich verzichte auf die Zinsen, damit dürften

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