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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Alexander tat es ihm gleich. Er mochte den Botaniker und wollte nicht an eine Erinnerung rühren, die offensichtlich schmerzhaft für ihn war. Nachdem sie ihre Brote verzehrt hatten, fragte er dann aber: »Wie sind Sie von Bonn hierhergekommen, Doktor Jantzen? Doch sicher nicht zu Fuß?«
    »Lassen Sie den Doktor weg, sonst nenne ich Sie Oberingenieur. Nur das letzte Stück trugen mich Schusters Rappen. Den größten Teil der Strecke bin ich gerudert.« Er grinste wieder, und Alexander lachte auf.
    »Und wie wollen Sie zurückkommen? Die Herfahrt war sicher angenehm, kann ich mir vorstellen. Flussabwärts hilft die Strömung.«
    »Und aufwärts ein gutes Essen.«
    »Aber es wird bald dunkel.«
    »Wäre nicht das erste Mal, dass ich eine nächtliche Ruderpartie unternehme. Der Himmel ist wolkenlos und der Mond noch fast voll.«
    »Andererseits – Sie könnten auch morgen früh aufbrechen. Ich kann Ihnen ein schlichtes Bett und ein paar Decken anbieten, auch wenn es noch nicht gerade luxuriös in meinem Heim zugeht.«
    »Das ist ein Angebot, das ich gerne annehme. Es ist ein schöner Abend, der danach verlangt, in guter Gesellschaft im Garten zu sitzen.«
    »Dann zeige ich Ihnen das Zimmer, und anschließend brechen wir einer Flasche Roten den Hals.«
    »Sie werden nach Bonn kommen, Masters, und dann revanchiere ich mich.«
    »Einverstanden.«
    Sie trugen die Teller und den Brotkorb in die Küche, und dann verblüffte Alexander seinen Besucher mit der Präsentation des water closets.
    »Phantastisch. Unbeschreiblich. Wenn wir das nur in jedes Haus einbauen könnten! Sie wissen gar nicht, wie viele Krankheiten durch Unsauberkeit entstehen.«
    »Ich habe mir noch nicht viele Gedanken dazu gemacht, aber vorstellen kann ich es mir.«
    »Ich habe einmal einen erstaunlichen Schiffsarzt kennengelernt. Masters, wenn Sie sich irgendwann einmal ernsthaft verletzen, und das bleibt vermutlich bei Ihrer Tätigkeit nicht aus, versprechen Sie mir, die Wunde gründlich mit Wasser auszuwaschen. Und saubere Verbände zu verwenden.«
    Sie standen in dem zweiten Schlafzimmer, in dem bisher nur ein schmales Bett und ein Schemel untergebracht waren, und Alexander hörte den drängenden Ton in der Stimme des Arztes.
    »Ich werde daran denken und tunlichst Sie dann aufsuchen oder rufen lassen. Sie haben vermutlich entsprechende Erfahrungen gemacht.«
    »Mein bester Freund ist einem Wundstarrkrampf erlegen, und andere Patienten habe ich zuvor daran sterben sehen. Doch auf dem Schiff, auf dem Doktor Klüver die Männer mit Salzwasser behandelte, gab es keinen solchen Fall. Ich würde gerne Experimente machen, um dieses Phänomen zu belegen, aber das ist schwierig.«
    »Das verstehe ich. Man kann ja nicht beliebig viele Personen verwunden und dann beobachten, wer auf welche Behandlung anspricht.«
    »Sie haben es erkannt, Masters. Verdammt, Sie sind ein kluger Kopf. Meine Kollegen halten mich weitgehend für verrückt, und unser Universitätsspitzel hat sich auch schon an meine Fersen geheftet. Der hat wohl Angst, dass ich staatsfeindliche Therapien verordne.«
    »Hören Sie mir bloß mit Regierungsspitzeln auf. Mir hat einer von denen zweieinhalb Jahre Festungshaft verschrieben.«
    »Staatsfeindliches Turnen, was?«
    »Getroffen. Und ein paar zu freigeistige Äußerungen meiner vierjährigen Tochter gegenüber. Aber lassen wir das, es ist vorbei. Ich hätte dem Kantholz eben nicht die Hosen runterlassen dürfen.«
    »Kantholz, Karl August Kantholz?«
    »Kennen Sie den etwa auch?«
    »Der ist jetzt für unseren Kurator Rehfues tätig und belauert Studenten und Lehrpersonal.«
    Sie waren mit der Rotweinflasche wieder im Garten angekommen, und Alexander lachte bitter auf. »Die Welt ist klein, Jantzen.«
    »Offensichtlich. Wo haben Sie den Spitzel getroffen?«
    »Erstmalig in Berlin.« Er berichtete von dem Streich, den sie ihm gespielt hatten, und dann von seiner Begegnung in Elberfeld.
    »Sie sind ganz schön herumgekommen, Masters.«
    »Ein wenig. Sie ja wohl auch, wenn ich die Andeutung von Schiffsärzten richtig verstehe.«
    »Das wird eine lange Geschichte.«
    »Wir haben ja auch einen langen Abend vor uns.«
    Als die Sonne untergegangen war und die letzten Vögel ihre Nachtgesänge anstimmten, stand die zweite Flasche geöffnet auf dem Tisch, und Alexander wusste von Venezuela und Trinidad, von Bremen und Berlin und den Niederungen, die sein Gast durchwandert hatte. Er hingegen berichtete von Waterloo und Colchester, von London, Berlin,

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