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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Produkte ihrer regen Handarbeit in Form von starren Deckchen inzwischen auf jedem Polster und jeder freien Fläche im Haus herumlagen.
    »Dann bleiben mir noch die Abrechnungen, Anton. Auf Ihrem Schreibtisch im Kontor häufen sich die Papiere an. Ist es nicht so?«
    »Je nun«, Bevering wirkte ein wenig verlegen. »Die letzten Tage ist der Schreibkram etwas liegengeblieben.«
    Ich sah ihn mit einem Augenzwinkern an. Er war ein guter Mensch, ein verantwortungsvoller Apotheker, der sich aufrichtig um seine Kunden bemühte, den Kindern die bittere Medizin immer mit ein paar Tropfen Honig versüßte und sich großzügig seinen Angehörigen gegenüber verhielt. Ich mochte ihn wirklich, aber ich hatte sehr schnell auch seine Schwächen herausgefunden. »Und Sie machen die Abrechnungen auch nicht gerne«, sagte ich. »Aber ich bin es gewöhnt, Bestellungen zu addieren, Rechnungen zu prüfen, Zahlungen zu verfolgen. Darf ich Ihnen die Aufgabe abnehmen?«
    Bevering zierte sich noch eine Weile, dann übergab er mir erleichtert den Schlüssel zu seinem Kontor und wies mich in die Unterlagen ein.
    Seine zweite Schwäche war mir bereits in der Hochzeitsnacht aufgefallen, doch darüber würde ich nie ein Wort verlieren. Nur dreimal hatte er sich seither unter den dicken Plumeaus zu mir herübergewühlt und mit fahrigen Fingern an meinem Nachthemd gezupft. Es war ein beschämendes, mühevolles Ringen, mit dem er versuchte, seine ehelichen Pflichten zu erfüllen, und als ich in einer warmen Juninacht in der Hoffnung, ihm eine Freude zu bereiten, ohne das voluminöse Hemd unter die Decken schlüpfte, war er so entsetzt, dass ich diesen Versuch nie wiederholte.
    Seine dritte Schwäche aber bekämpfte ich mit allen hinterhältigen Mitteln, die mir zur Verfügung standen. Denn diese war sein Freund, Doktor Jakob Schlaginhaufn. Mit dem Mediziner mochte ihn eine Freundschaft verbinden, die schon im Steckkissen begonnen hatte, die über Schulzeit und Studium, Approbation und Praxis bis zum jetzigen Zeitpunkt gewachsen war, ich hingegen empfand herzliche Abneigung gegen den korpulenten Arzt. Seine dröhnende Stimme, mit der er apodiktische medizinische Wahrheiten verkündete, war das eine, seine schmutzigen Manschetten, die schwarzen Ränder unter seinen Fingernägeln und die unangenehmen Ausdünstungen seiner Kleider waren das andere. Er widerte mich schlichtweg an. Zumal er beständig versuchte, mich – aus rein ärztlichem Interesse – anzufassen. Unser beider Begegnungen verliefen wie eine Tanzparodie, in der ich beständig das Ausweichen übte und er immer wieder versuchte, meinen Puls zu ertasten oder eine kleine Schwellung am Hals zu befühlen. Einmal hatte er sogar Anstalten gemacht, mich zur Ader lassen zu wollen, da ich anscheinend unter einem Überschuss an gelber Galle litte, wie ihm Margarethe zugeflüstert hatte. Vielleicht hatte sie recht damit, mir kam tatsächlich bei dem Gedanken die Galle hoch, und ich wies ihn äußerst unwirsch zurück, als er sein Schröpfschnepper aus seinem schmierigen Arztkoffer kramte. Einmal hatte ich meinen Gatten vorsichtig darauf angesprochen, dass Doktor Schlaginhaufn wohl eine recht sorglose Haushälterin habe, doch Anton hatte nur traurig den Kopf geschüttelt und gemeint: »Das Los eines alleinstehenden Mannes, mein Kätzchen. Er hat niemanden, der sich so lieb um ihn kümmert, wie du es für mich tust.«
     
    Das Kontor, in dem ich mich durch die Materialanforderungen und Rechnungen arbeitete, lag hinter dem Laboratorium, ein enger, muffiger Raum, der gelegentlich von den seltsamsten Gerüchen durchzogen wurde, je nachdem, was Anton und sein Gehilfe in den Retorten und Tiegeln zusammenmischten. Eben gerade aber wehte der angenehme Duft von Sandelholz und Myrrhe herein, was mich zum Lächeln brachte. Durch meine Arbeit hatte ich einen recht guten Überblick über die Stoffe erhalten, die in einer Apotheke benötigt wurden, und wenn ich Anton abends nach der einen oder anderen mir nicht bekannten Substanz befragte, dann antwortete er mir immer ausführlich. So wusste ich um die feinen Fette, die zur Grundlage von Salben dienten, kannte verschiedene Salze, die in gelöster oder pulverisierter Form verabreicht wurden, erfuhr die Namen von Säuren, Laugen und Lösemitteln. Ich lernte die verschiedenen Behälter kennen für trockene, flüssige und leicht flüchtige Stoffe und wusste, was sich in dem geheimnisvollen Giftschrank verbarg.
    In das Offizin, den straßenseitigen Verkaufsraum mit

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