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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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glatt.
    »Nennen Sie mich nicht so!«, begehrte die füllige Witwe auf und sandte mir einen giftigen Blick.
    »Nun, solange ich Ella Annamaria bin, sind Sie Gretchen. Und nun überlasse ich Sie den Freuden des geistlichen Trostes und kümmere mich um Beverings Abrechnungen.«
    »Aber Amara!«, gellte Hermine hinter mir her, als ich den Raum verließ.
    »Lass sie gehen, Hermine. Mit ihrem Benehmen beleidigt sie Pfarrer Gerlach doch nur«, hörte ich meine Schwägerin noch anmerken, als ich die Tür leise hinter mir zuzog.
     
    Die Ehe mit Anton Bevering hatte viele gute Seiten, die ich überhaupt nicht leugnen wollte. Mein Gatte verwöhnte mich in jeder Hinsicht. Selbstredend war nicht von grauen oder gar schwarzen Kleidern die Rede, als er mir den Besuch einer renommierten Schneiderin empfahl, bei der ich meine Frühjahrsgarderobe bestellen sollte. Er selbst hatte den Trauerflor nach sechs Wochen abgelegt und die missbilligend hochgezogenen Brauen näherer Verwandter oder Freunde ignoriert. Er ließ die Räume seiner verstorbenen ersten Frau renovieren, und nun standen mir ein kleines Wohnzimmer und ein Boudoir im zweiten Stock zur Verfügung. Leider hatte die Verblichene eine Vorliebe für schwere, dunkle Möbel gehabt, die in den niedrigen Räumen recht erdrückend wirkten. Aber das wollte ich nicht kritisieren. Ich war froh, hier ein Sanktuarium zu haben, denn Hermine und Margarethe hielten sich mit Vorliebe in dem repräsentativen »Saal«, dem großen Wohnzimmer im ersten Stock, auf, wo in Kredenzen das Kristall und Porzellan, das Silberzeug und die Zinnteller zur Schau gestellt wurden. Um deren Pflege und die restliche Putzerei kümmerte sich ein Hausmädchen, eine vorzügliche Köchin wirkte an den Töpfen, und einmal die Woche kam die Wäscherin. Erstmals in meinem Leben lernte ich den Müßiggang kennen – und war seiner nach kürzester Zeit weidlich überdrüssig. Anton hatte zwar gehofft, Hermine und ich könnten gute Freundinnen werden, und ich, als die Verheiratete, würde es übernehmen, die junge Frau zu chaperonieren. Doch seine Tochter hatte ihr Missfallen über seine Heirat dadurch bekundet, dass sie sich weigerte, die Trauerkleider abzulegen. Gesellschaftlicher Verkehr aber war auf diese Weise nicht möglich, und so war ich auf Beverings Begleitung angewiesen, wenn es mich nach Unterhaltung gelüstete. Er tat mir gerne den Gefallen, und an seiner Seite besuchte ich Theateraufführungen, Konzerte und auch die Gesellschaften, die seine Bekannten gaben. Das missfällige Getuschel seiner Schwägerin hörte nur ich. Margarethes peinlichstes Anliegen war, was wohl die Leute dazu sagten, dass ihr Schwager sich mit einer solchen Person verbunden hatte.
    Nüchtern wie ich war, hätte ich es ihr erzählen können. Die Männer in Antons Alter musterten mich mit gierigen Blicken und neideten dem Apotheker sein junges Bettschätzchen. Die Matronen an ihrer Seite flüsterten etwas von Johannistrieb und schamlosem Ausnutzen, waren aber ebenfalls neidisch, weil ihren Töchtern damit eine gute Partie entgangen war. Den Töchtern wiederum war ich gleichgültig, und den Söhnen musste ich gelegentlich einen Verweis erteilen. Nichts von alledem berührte mich, nur die Langeweile tagsüber machte mir zu schaffen. Ich las die Zeitungen und Gazetten gründlich, fand einige Reiseberichte in den Bücherregalen, die mich faszinierten, aber damit ließen sich die Stunden bis zum Abend eben nicht ausfüllen.
    »Ich würde mich gerne in der Apotheke nützlich machen, Anton. Was meinen Sie, könnte ich nicht auch Pillen und Salben verkaufen?«, hatte ich meinen Mann nach zwei Wochen gefragt.
    »Du würdest es sicher sehr anmutig machen, mein Kätzchen, aber es gehört mehr dazu, als nur hübsche Döschen zu verkaufen. Die Kunden wollen ihre Rezepte gemischt haben, und das kann nur ein ausgebildeter Apotheker.«
    »Gut, das verstehe ich. Aber ich kann mit Kräutern, Gewürzen, Mörser und Pistill auch ganz gut umgehen. Als Bäckerin gewinnt man ein gewisses Geschick darin.«
    »Ohne Zweifel. Aber würdest du mich in deine Küche lassen, nur weil ich Salben und Cremes rühren kann?«
    Ich musste lachen bei dem Vergleich und schüttelte den Kopf. »Sie haben ja recht, Anton. Ich wäre mehr als misstrauisch. Aber irgendwas muss es doch für mich zu tun geben? Und jetzt sagen Sie nicht, ich solle Klöppelspitzen anfertigen.«
    »Um Himmels willen, nein!«
    Auch ihm ging das ewige Klöppeln seiner Schwägerin auf die Nerven, zumal

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