Göttertrank
vorstellen?«
Nachdem auch das erledigt war, nahm Doktor Schlaginhaufn die Gelegenheit wahr, mir ebenfalls in gravitätischer Manier die Hand zu küssen, was allerdings weit intensiver ausfiel als ein zartes Streifen seidiger Barthaare. Danach hatte ich den dringenden Wunsch, mir die Finger mit einem Tuch abzuwischen, aber das wäre dann doch ein sehr deutlicher Affront gewesen.
Das Essen verlief zunächst harmonisch, Jan Martin sprach von seinen Untersuchungen, dem Nährwert von Kartoffeln, Graupen und anderen kohlehydrathaltigen Produkten zu bestimmen, und Hermine, die sich in der christlichen Wohlfahrt unter Leitung von Pfarrer Gerlach stark engagierte, erzählte ihm stolz von der Rumfordsuppe, die sie an die Bedürftigen ausschenkten.
»Solange Sie reichlich Kartoffeln, Gemüse und Fleischbrühe verwenden, mag das ein sehr nützliches Gericht sein. Aber meine Feststellung ist bislang, dass in den Suppenküchen oft daran zugunsten von Wasser gespart wird.«
»Dieses Gesindel soll man nicht mit aufwendigen Delikatessen durchfüttern. Sie können froh sein, dass solche verehrungswürdigen Frauen wie Fräulein Hermine sich aufopfern und überhaupt eine Speisung möglich machen!«, dröhnte Schlaginhaufn und nahm sich einen kräftigen Nachschlag von der Aalsuppe.
»Und nicht zu vergessen die nahrhaften Gebete, die die wässrige Suppe begleiten«, murmelte ich in meine Serviette. Jan Martin neben mir trat mir leicht auf den Fuß.
»Sie erforschen aber sicher nicht ausschließlich den Nährwert dünner Armenspeisung, Doktor Jantzen?«, fragte ich dann lauter nach.
»Nein, mein Hauptinteresse liegt bei einem weit spannenderen Produkt, liebe Frau Doktor Bevering. Ich setze im Augenblick alle meine Bemühungen daran, einen Kakaobaum in den Gewächshäusern anzupflanzen.«
Hermine lachte kreischend auf. »Kakaobaum, Herr Doktor Jantzen? Tatsächlich, sooo etwas gibt es? Wachsen da die Pralinés an den Zweigen?«
Ich konnte mich nicht zurückhalten. »Genau, Hermine, genau wie die Pfannkuchen am Eierkuchenbaum.«
Sie sah mich verständnislos an. »Einen Eierkuchenbaum gibt es doch gar nicht.«
»Hermine, sie scherzt«, klärte mein wohlmeinender Gatte seine Tochter auf und wandte sich dann an Jan Martin. »So haben Sie Ihr Forschungsgebiet dann gefunden.«
»Ja, und es wird, je weiter ich mich darin vertiefe, immer interessanter.«
»Das kann ich mir vorstellen. Ich liiiebe Kakao über alles!« Hermine versuchte sich mit einem neckischen Augenaufschlag, wurde diesmal aber von Schlaginhaufn gebremst.
»Anton, du solltest deiner Tochter den übermäßigen Genuss des Kakaos untersagen. Du weißt, wie schädlich er ist.«
Bevor mein Mann ihm antworten konnte, stellte ich richtig: »Kakao hat allenfalls eine leicht anregende Wirkung, vergleichbar mit Kaffee oder Tee, Doktor Schlaginhaufn. Sie selbst werden als passionierter Mokkatrinker wissen, wie harmlos das ist.«
»Kakao hat weit gefährlichere Auswirkungen, gerade auf das weibliche Geschlecht«, dröhnte er und sah mich missbilligend an.
»Ah, Sie sprechen von dem Glauben, die Frucht des Theobroma cacao errege den Geschlechtstrieb, Herr Kollege? Und wenn es so wäre – was wissenschaftlich natürlich nicht erwiesen ist -, halten Sie dies für eine schädliche Reaktion des Körpers?«
Diesmal fühlte ich mich bemüßigt, Jan Martin auf den Fuß zu treten. Seine Bemerkung war in Gegenwart von Damen äußerst unpassend, und wie erwartet begann Hermine hinter ihrer Serviette zu gluckern.
»Lieber Doktor Schlaginhaufn«, erklärte ich mit süßer Stimme, »bedenken Sie, selbst Papst Pius V. hat den Kakao als Fastenspeise in den Klöstern erlaubt. Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche den Genuss für die keuschen Brüder und Schwestern für angemessen hielt, kann man sicher von keinerlei unpassender Wirkung sprechen.«
Die Erwähnung der geistlichen Obrigkeit stopfte dem Mediziner zumindest in Gegenwart der Damen Bevering den Mund, wenngleich Jan Martin neben mir leise bemerkte: »Der Saga nach hat er’s aber nur erlaubt, weil ihm das bittere Zeug nicht geschmeckt hat.«
Ich verkniff mir ein Lachen und verkündete darauf laut: »Ich denke, ich werde Erna bitten, den nächsten Gang zu servieren. Sie hat, lieber Herr Doktor Jantzen, einen echten rheinischen Sauerbraten zubereitet. Es ist ein etwas ungewohnter Geschmack. Probieren Sie dennoch unsere hiesige Spezialität.«
Damit gelang es mir, die Situation zu entspannen, denn der Vielfraß Schlaginhaufn
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