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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und leicht gewellt.
    Alexander war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
    »Wie hieß das verdammte Pony, mit dem du unbedingt über das Hofgatter springen musstest?«
    »Benjamin. Es hatte eine dreieckige Blesse, und die linke Hinterhand war weiß. Es hat mich abgeworfen und anschließend auch noch in den Hintern gebissen, das Biest. Soll ich Ihnen die Narbe zeigen?«
    »Nein, Junge.«
    »Glauben Sie mir nun?«
    »Ich habe dir geglaubt, seit du die Auffahrt hochgekommen bist. Aber ich wollte es nicht. Herrgott, es ist doch auch für mich nicht einfach. Was glaubst du denn, welche Vorwürfe ich mir damals gemacht habe! Niemals hätte ich deine Mutter und euch Jungs auf diesen verfluchten Feldzug mitnehmen dürfen.« Er stellte sein Glas mit einem vernehmlichen Klirren auf dem Marmorsims ab und zog Alexander in die Arme. »Willkommen daheim, mein Sohn.«
    Alexander erwiderte die Umarmung in gleicher Heftigkeit und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Dann zupfte Lady Henrietta an seinem Arm, und als er sie umfasste, konnte er denn doch nicht verhindern, dass seine Augen feucht wurden.
    »Mama, du hast mir so gefehlt«, murmelte er in ihre Haare. »Ihr wart mir so gute Eltern, und dann habe ich alles verloren.«
    »Mein Kind. Was hast du durchmachen müssen!« Sie löste sich sacht von ihm und zog ein Tüchlein aus dem Ärmel, um sich die Wangen abzutupfen. »Wir werden uns viel zu erzählen haben.«
    »Das werden wir tun, Frau Mutter. Auch wenn meine Geschichten nicht immer von hohem moralischem Anspruch sind.«
    »Wie etwa deine Beteiligung an vaterlandsverräterischen Turnervereinigungen?«, grollte der General. »Wie hast du es nur geschafft, den Knallchargen von Justizminister Kamptz in die Quere zu kommen?«
    »Jugendlicher Übermut und eine reiche Portion Dummheit. Schätzen Sie den Herrn Minister nicht?«
    »Wir pflegen eine kultivierte, doch erbitterte Feindschaft. Dieser in seinen Wahn verrannte Demagogenjäger hat unserem hasenherzigen Monarchen eine absurde Angst vor jeder rechtschaffenen Kritik eingeflüstert. Aber lassen wir das. Nun setz dich, Alexander.«
    Erleichtert in vielerlei Hinsicht ließ sich Alexander in die Polster sinken und trank einen Schluck Sherry. Dann begann er zu erzählen. Er hatte eben geschildert, wie er die Kleider mit dem Stallburschen gewechselt hatte, um heimlich auf das Schlachtfeld zu gelangen, als seine Mutter ihn unterbrach.
    »Ich werde Julius dazuholen. Er sollte ebenfalls von Anfang an hören, was dir geschah.«
    »Es würde mich sehr freuen, meinen Bruder wiederzusehen.«
    Lady Henrietta betätigte ein Silberglöckchen, und ein unauffälliger Diener schlüpfte herein. Er nickte kurz und verschwand, und wenige Augenblicke später stand Julius in der Tür.
    »Alexander! Himmel, ich wollte mich schon Idiot schimpfen, weil ich nie so recht glauben konnte, dass du wirklich tot bist. Mann, mach das nicht noch mal!«
    Diesmal war die Umarmung fast noch heftiger, und mit mannhaftem Schulterklopfen versuchten die Brüder, ihrer Gefühle Herr zu werden.
    »Alexander hat gerade begonnen, uns über sein Leben zu berichten, Julius. Setz dich zu uns«, bat ihre Mutter, und Julius nickte.
    »Wäre es euch recht, wenn auch Linda dazukäme? Sonst löchert sie mich nachher so lange, bis ich ihr alles noch einmal erzähle. Linda«, wandte er sich an seinen Bruder, »ist mein Weib. Fast noch ganz neu, und meiner unmaßgeblichen Meinung nach très charmante .«
    »Dann möchte ich doch ernsthaft vermeiden, dass du ihr nachher eine zensierte Version meiner tollkühnen Abenteuer weiterträgst.«
    Linda überraschte Alexander, denn sie schien eine äußerst kühle junge Dame zu sein, die ihn durch ihre runde Brille zunächst abschätzend beäugte. Dann aber lächelte sie plötzlich und enthüllte eine verborgene Schönheit.
    »Der verlorene Sohn. Es ist erstaunlich, welch ausgefallene Geschichten das Leben schreibt.«
    »Was du als Kompliment werten kannst, denn diese Frau kriegt ihre Nase nicht aus den Büchern«, grummelte der Graf und grinste seine Schwiegertochter an.
    »Sie haben mir selbst höchst energisch das Reiten verboten, um das petit paquet nicht zu gefährden, Papa. Was soll ich also anderes tun als lesen?«
    »So darf ich dir doppelt gratulieren, Julius. Zu Frau und Erben!«
    »Na ja …« Julius lächelte stolz, und Linda knuffte ihn in die Seite. Alexander hatte den Eindruck, als ob die beiden wirklich gut zusammenpassten. Als sie sich dicht nebeneinander auf einem Sofa

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