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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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es brandete ein lautes Geraune auf, legte sich aber gleich darauf wieder.
    »MacPherson begegnete ich als Kind zum ersten Mal, und immer wieder in den vergangenen Jahren tauchte er unerwartet, aber immer im richtigen Augenblick auf. Er hat mich von der Brücke zurückgeholt, als ich in tiefster Verzweiflung in den Fluss springen wollte, er hat mir geholfen, in Köln Fuß zu fassen, stand mit Rat und Hilfe an meiner Seite, als ich verwitwet und um mein Erbe betrogen einen neuen Anfang finden musste. Er war mein Freund...« Die mühsam zurückgehaltenen Tränen brachen sich Bahn, meine Stimme versagte. Ich trat ans Grab und flüsterte unhörbar für die anderen: »Und mein Geliebter.« Dann ließ ich die weißen Rosen auf den Sarg fallen und neigte, blind von Tränen, den Kopf.
    Jemand nahm meinen Ellenbogen und führte mich langsam zurück, während der Pfarrer sein Gebet sprach. Das gab mir Zeit, mich wieder zu fassen, und mit Überraschung sah ich Julia vortreten. Sie hatte Mac nur einige Male flüchtig getroffen, aber sein Tod schien eine flammende Wut in ihr entfacht zu haben.
    »Ein guter Freund ist einen vollkommen sinnlosen, willkürlichen Tod gestorben, weil er meinem Vater das Leben gerettet hat. Mein Vater ist daraufhin verhaftet worden. Von einem Mann namens Karl August Kantholz. Mit seinem letzten Atemzug wollte MacPherson uns sagen, wie wir ihn wieder freibekommen. Ich habe den Sinn nicht verstanden, aber vielleicht kann einer der Anwesenden hier uns weiterhelfen. Er nannte den Namen ›Daphne‹!«
    Antonia Waldegg neben mir tat etwas so Ungewöhnliches, dass ich sie verblüfft anschaute. Sie quiekte nämlich. Cornelius machte einen Schritt zu Julia hin und nahm sie am Arm.
    »Sie werden verstehen, dass dieses Kind nicht weiß, was es sagt. Aber ich verspreche Ihnen, ich werde jeden Hinweis in dieser Sache mit größter Diskretion entgegennehmen.«
    Er erhielt noch am selben Abend Besuch von etlichen Herren, mit denen er hinter verschlossenen Türen konferierte.

Durch den Kakao gezogen
    Traurig geht der Bösewicht durch’s Leben;
Sein Genuß ist ein verwirrter Traum,
Seine Hoffnung eine welke Blume,
Seine Freude ein entlaubter Baum.
    Johann Heinrich Witschel
     
     
    Zivilkommissar Kantholz war mit der Ausbeute der vergangenen Woche mehr als zufrieden. Dutzende von Putschisten, Aufrührern und Rebellen hatten seine Leute dingfest gemacht, unter ihnen, und das erfüllte ihn mit äußerster Genugtuung, auch Alexander Masters. Nun würde wohl aus der Fabrik nichts werden, die er so vollmundig angekündigt hatte. Gewalt gegen einen preußischen Staatsdiener war ein prächtiger Anklagepunkt, für den sich die aufgeplatzte Lippe und der Verlust eines sowieso schon kariösen Eckzahns fast gelohnt hatten. Diesmal würde Masters nicht mit zwei Jahren Festungshaft davonkommen, dafür würde er schon sorgen.
    Mit spitzen Fingern griff Karl August in die Schublade und beförderte eine Praline hervor. Diesen kleinen Vorrat an Süßigkeiten ergänzte er ständig und ergötzte sich daran, dass seine Mutter davon nichts ahnte. Sie hatte viel für ihn getan, aber ihr zu erlauben, auch noch seine Amtsräume zu inspizieren, nein, davor hatte er endgültig einen Riegel geschoben.
    Ein Amtsdiener meldete sich an seiner Tür, nahm Haltung an und verkündete in zackigem Ton: »Die Gräfin von Massow und zwei Begleiterinnen!«
    Der zarte Schmelz der Nougatpraline wurde noch um einen Grad süßer, als Kantholz diese Anmeldung vernahm. Sie würde betteln. Oh, ja, die Gräfin würde betteln. Es wurde immer schöner.
    »Soll’n reinkommen!«, schnarrte er.
    Drei Damen in Grau, tief verschleiert, die eine mit einer umfangreichen Mappe in der Hand, traten ein. Er machte eine Andeutung, sich von seinem Stuhl zu erheben, und hieß den Amtsdiener, drei harte Stühle vor dem breiten Schreibtisch aufzustellen, den er gerne als Bollwerk gegen Bittsteller und anderes Gelichter nutzte.
    »Ihr Anliegen, die Damen? Fassen Sie sich bitte kurz, meine Zeit ist begrenzt.«
    »Natürlich. Sehr kurz. Ein Wort von Ihnen wird ausreichen, meinen Gatten, den Grafen Alexander von Massow, der sich in Geschäftskreisen Alexander Masters nennt, auf freien Fuß zu setzen. Ordnen Sie das umgehend an.«
    Die Stimme der Dame war kalt und die Aussprache präzise. Dennoch traute Kantholz seinen Ohren nicht. Er hatte Bitten und Tränen erwartet, keine Befehle. Die Hochstimmung verflog, und die Galle kam ihm hoch. Was unterstand sich diese Frau! Entsprechend

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