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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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miterlebt als mancher gestandene General. Ihr Vokabular fußte in dieser Zeit, und die Bildhaftigkeit ihrer Kommentare ließ nichts zu wünschen übrig. Derzeit führte sie an ihres Mannes statt das Verlagshaus, und zwischen den Ehegatten wurde eine umfangreiche Korrespondenz geführt. Alexander erlaubte Waldegg gerne, ihr sein Problem zu berichten.
    »Aber ich habe es richtig verstanden, Masters, Sie sind ein erfahrener Ingenieur?«, fragte der Verleger, nachdem dieser Punkt geklärt war.
    »Ich denke, ich bin recht beschlagen in technischen Fragen. Darum mache ich mir keine besonderen Gedanken, was nach dieser verdammten Festungszeit geschieht. Ich werde immer einen gut bezahlten Posten bekommen.«
    »Mhm. Können Sie technische Verfahren einigermaßen verständlich formulieren? So, dass ein interessierter Laie sie kapiert?«
    »Ich denke schon. Ich habe bei Egells oft den Bärenführer gemacht. Warum?«
    »Sie könnten ein Buch schreiben. Über Dampfantrieb und all diese Maschinen, die man damit in Bewegung setzt. Ich bringe es heraus. Das ist der Hauptzweig unseres Verlags. Allgemeinverständliche Sachbücher.«
    Alexander fühlte, wie einst, als ihm Dettering seine Chance geboten hatte, wieder einen leichten Schwindel. Was Waldegg ihm vorschlug, war nicht nur das Ende der Langeweile und der Sinnlosigkeit seines Daseins, sondern auch noch die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit einen Namen zu machen. Zumindest in interessierten Kreisen.
    »Das ist... Sie sehen mich sprachlos.«
    »Das legen Sie bitte schnellstmöglich ab, sonst können Sie nicht schreiben«, war die trockene Replik.
    »In Ordnung.« Alexander grinste. »Und anschließend geben wir beide zusammen ein Gefängniskochbuch heraus.«
    »Bei der jetzigen Regierung wird uns das Millionen einbringen«, knurrte Waldegg.
     
    In den folgenden Monaten waren Alexanders Tage erfüllt mit Konzeptionen und Gliederungen, mit Beschreibungen und Zeichnungen, Erklärungen von Fachbegriffen und physikalischen Gesetzen. Auf dem Papier entwarf er eine gesamte Fabrik, und als er sich fragte, wie er es am besten anpacken sollte, damit es wirklich von jedem verstanden wurde, gab Waldegg ihm den guten Rat: »Versuchen Sie, es Ihrer kleinen Tochter zu erklären.«
    In Gedanken an Julia begann er schließlich zu schreiben, und die Zeit verflog endlich schneller.
     
    Die Liegestütze hatten einen leichten Schweißfilm auf seine Stirn gebracht, und mit einem Anhocken kam Alexander wieder in die Senkrechte. Zum Abschluss praktizierte er noch eine Reihe Kniebeugen in unterschiedlichen Variationen, dann begab er sich zum Brunnen, um sich mit einem Eimer kalten Wassers abzukühlen. Eine Kompanie Soldaten marschierte stramm an ihm vorbei aus dem Tor der Zisterne, Gewehr über der Schulter, Tornister auf dem Rücken. Preußens Gloria zog ins Manöver. Preußen war vielen Bedrohungen ausgesetzt, musste man annehmen. Überall im Land waren Soldaten stationiert, um die äußeren Feinde des Vaterlandes in Schach zu halten, und die Gefängnisse waren voll von Feinden, die das Vaterland von innen bedrohten.
    Ein Jahr war seit seinem ersten Zusammentreffen mit Waldegg vergangen. Noch immer gehörten die morgendlichen Übungen zu Alexanders geregeltem Tagesablauf, dann folgte die gemeinsame Zubereitung des Mittagessens mit Cornelius. Am Nachmittag schrieb er sein Pensum, und am Abend diskutierte er mit dem Verleger den Text vom Vortag. An diesem 18. Juli des Jahres 1836 aber wurde die gemächliche Routine jäh unterbrochen. Als er zu seiner Kammer hochstieg, hörte er im Nebenraum eine Frauenstimme. Tief, ein bisschen rau, aber mit einem ansteckenden Lachen in der Kehle.
    Antonia Waldegg war eingetroffen.
    Ihr Besuch war angekündigt, und Alexander freute sich darauf, die ungewöhnliche Dame endlich in persona kennenzulernen. Aber wenn er auch neugierig war, so ging er doch, ohne sich an der angelehnten Tür zu melden, in sein Zimmer. Er wollte das erste Wiedersehen der Eheleute nach so langer Zeit nicht stören. Doch es dauerte nur wenige Minuten, da klopfte Waldegg bereits an und fragte ihn, ob er zu ihm nach nebenan kommen wolle.
    Antonia Waldegg wirkte alterslos, obwohl Alexander wusste, dass sie Mitte vierzig sein musste. Sie trug entgegen aller Mode ihre Haare in kurzen Locken und ein einfaches, bequem geschnittenes Reisekleid. Dennoch strahlte sie eine Würde aus, um die sie viele elegantere Zeitgenossinnen beneiden mussten, fand Alexander. Mit ausgestreckten Händen und einem

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