Goettin - Das Erwachen
völlig normale Abend, den sie als Paar verbrachten. Vielleicht sollte sie sich den Tag rot im Kalender markieren. Sie genoss Liams Wärme und hörte sein Herz regelmäßig schlagen. Sie war satt und hatte die leeren Pizzakartons auf den Boden geworfen. Ein wirklich schöner Abend. „Geht es dir gut, Kätzchen?", flüsterte Liam gegen ihren Scheitel. Sie war erstaunt über seine Frage und drehte ihren Kopf so, dass sie ihm in die Augen sehen konnte. Wie so oft fand sie Sorge in seinem Blick. „Die Frage muss ich dir stellen. Ich habe nicht einen Kratzer abbekommen." stellte sie leise fest. „Das meinte ich nicht. Du hast jemanden erschossen. Kommst du damit klar?" bohrte er sanft nach. Ihr wurde bewusst, dass sie seit sie den Vampir sterben gesehen hatte, nicht an ihn gedacht hatte. Erschrocken über ihre Kaltblütigkeit entfuhr ihr ein unbestimmter Laut. Sofort zog Liam sie hoch und wiegte sie wie ein kleines Kind in seinen Armen. „Schon gut. Was erschreckt dich so?", fragte er weiter mit sanftem Tonfall.
Mit ihrem Mund an seiner Halsbeuge antwortete sie wimmernd: „Ich bin ein Monster. Ich habe ihn umgebracht und ihn einfach vergessen." Liam schwieg für eine Weile, hielt sie und streichelte sie sanft. Seine beschützenden Arme spendeten ihr Halt und Trost. Er setzte sie wieder ab und griff unter ihr Kinn, dass sie ihm in die Augen sehen musste. Er lächelte sie liebevoll an. „Du bist kein Monster. Du bist weit davon entfernt." sagte er in einem Tonfall, als würde er ein verschrecktes Tier beruhigen wollen. „Verdrängung ist eine normal Reaktion, Kätzchen. Sie hilft dir bei der Bewältigung." Sie versuchte sich zu beruhigen und dachte über seine Erklärung nach. Sie hatte es tun müssen, daran bestand kein Zweifel. Fühlte sie sich trotz dieses Wissens schuldig und verdrängte es einfach? „Machst du das auch so?", fragte sie ihn. Sie war sich sicher, dass er bereits getötet hatte. Das hatte sie gestern in seinen Augen sehen können.
Liam sah sie eine Weile an, dann nickte er. „Die Bennetts haben das Verdrängen zur Kunstform erhoben.", sagte er, ohne den Hauch eines Lächelns im Gesicht. Er sprach nie über seine Familie und Lee drängte ihn auch nicht dazu. Deshalb nickte sie nur leicht, setzte sich wieder neben ihn und sah auf den Flachbildschirm. „Kommst du klar?", hakte Liam noch einmal nach. Sie zwang sich jede Sekunde des Kampfes durchzugehen und überprüfte bei allem, was sie getan hatte, ihre Empfindungen. Als sie sich sicher war, fällte sie eine Entscheidung. „Er hatte es verdient.", sagte sie mit fester Stimme und legte ihren Kopf wieder an seine Seite. Sie würde sich nicht schuldig fühlen, Liam das Leben gerettet zu haben. „Hatte er.", bestätigte Liam und legte sein Kinn wieder an ihren Scheitel.
Als der Film zu Ende war, entschied Lee, dass sie den zweiten und dritten Teil nicht mehr sehen wollte. Es gab bereits genug Gewalt in ihrem Leben, da musste sie es sich nicht auch noch ansehen. Stattdessen sahen sie noch eine Weile fern, bis sie bemerkte, dass Liam eingeschlafen war. Nachdem sie den Fernseher ausgeschaltete hatte, wand sie sich vorsichtig aus seinen Armen. Sie schlich sich ins Bad und als sie wieder herauskam lag er zusammengerollt im Bett. Er hatte die Decke in seine Arme geschlossen und kuschelte mit ihr. Er sah so unschuldig und friedlich aus, dass sie lächeln musste. Eigentlich wollte sie noch ein Shirt überziehen, entschied sich aber nackt zu schlafen, um ihn nicht durch das Kramen in ihrer Reisetasche wieder zu wecken. Sie schlüpfte leise neben ihn und schaltete das Licht aus.
Nach zwei schlaflosen Stunden öffnete sie ihre Augen und starrte ins Dunkel. Sie dachte über so viel nach, dass sie unmöglich einschlafen konnte. Entnervt drehte sie sich auf den Rücken und seufzte. Wie aus dem Nichts spürte sie Liams Hand, die kreisend über ihren Bauch strich. Noch während sie darüber nachdachte, ob er schlief oder aufgewacht war, hörte sie ein Rascheln neben sich und die Matratze neigte sich. Sie spürte seine weichen Lippen an ihrem Hals. Träge küsste er sie und leckte dann langsam bis zu ihrem Ohr. Er war eindeutig wach!
„Ich kenne da ein geniales Rezept gegen Schlaflosigkeit.", murmelte er und sie musste lachen. Sie streichelte über seinen muskulösen Körper, bis sie die Schulter gefunden hatte. „Du bist verletzt und sollst dich nicht bewegen.", antwortete sie ihm. Leider hatte sie keine Strenge in den Ton legen können, weil Liam
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