Goettin - Das Erwachen
verschiedenfarbige Wölfe auf. Einer war braun, das Fell der anderen wies unterschiedliche Grauschattierungen auf. Sie stutze, als sie den hellgrauen Wolf neben sich entdeckte. Sein Oberkörper und seine Schnauze berührten fast den Boden, während er seinen Hintern in die Luft reckte und wie wild mit dem Schwanz wedelte.
Frank? Forderte der kühle und distanzierte Türsteher sie wirklich gerade begeistert zum Spielen auf? Sie lachte auf und strich ihm über den Kopf. Das ermutigte ihn. Er machte einen Satz auf sie zu und sprang dann wieder zurück in die alte Haltung. Sein Schwanz wirkte dabei fast wie der Rotor eines Hubschraubers. Ja, Frank wollte eindeutig mit ihr zu spielen! „Er ist immer ziemlich überschwänglich, wenn wir laufen gehen." Liams Stimme klang entschuldigend, als er aufstand. Sie sah kurz auf und lächelte in Liams Richtung. Dann wand sie sich wieder dem hellgrauen Wolf zu. „Überschwänglich? Willst du Stöckchen holen spielen?", zog sie Frank auf. Dieser legte seinen Kopf schief und schien für einen Augenblick zu überlegen. Wäre es nicht so dunkel gewesen, hätte sie wohl sehen können ob Wölfe beim Nachdenken auch die Stirn in Falten legen konnten oder nicht. Das würde sie mal bei ihrem Wolf testen, beschloss sie. Abrupt sprang Frank auf und begann wie von Sinnen sich im Kreis zu drehen und nach seinem Schwanz zu schnappen. Lee konnte nicht an sich halten und lachte laut, während sie den sonst so coolen Frank beobachtete, wie er seinen eigenen Schwanz jagte. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals etwas so Absurdes gesehen zu haben. „Wie peinlich.", murmelte Liam. Bis sie ihren Kopf zu ihm gedreht hatte, war Liam verschwunden und der strahlend weißer Wolf stand vor ihr. Der kam auf sie zu, legte seine Schnauze in ihre Halsbeuge und rieb mit der Spitze sanft zwischen Schlüsselbein und Nacken hin und her. Das machte Liam sehr gerne, hatte sie festgestellt. Egal, in welcher Form er sich befand und sie hatte es lieben gelernt, von Liam in Wolfsgestalt berührt zu werden. Zwischenzeitlich mochte sie die Nähe, die zwischen dem Tier und ihr bestand. Sie kraulte seinen Hals und ihr Lachen verklang allmählich. Sie senkte ihren Mund an sein aufgestelltes Ohr und hauchte: „Viel Spaß." Mit seiner Schnauze stupste er leicht gegen ihre Schulter und dreht sich dann zu dem immer noch kreiselnden Frank. Lee sah sich um. Die Wölfe, die sie sehen konnte, sahen alle aufmerksam zu Liam. Der stand kurz regungslos da und sprang dann unvermittelt den grauen Wolf an. Mit den Vorderpfoten brachte Liam ihn aus dem Gleichgewicht und Frank fiel um.
Er kam auf dem Rücken unter Liam zum Liegen. Kurz befürchtete Lee, dass es eine Art Kampf geben würde. Aber der weiße Wolf stieß ein kurzes Heulen aus, sprang über Frank hinweg und rannte auf den Wald zu ihrer Rechten zu. Sofort setzte sich das restliche Rudel in Bewegung und folgte Liam. Der hellgraue Wolf rollte sich wieder auf den Bauch, sah kurz zu Lee und folgte schließlich eilig seinem Rudel. Innerhalb von Sekunden waren alle Geräusche verklungen und Lee sah nichts mehr außer dem schwarzen Wald und über sich den dunkelblauen Himmel. Lächelnd schüttelte sie den Kopf und sah dann zum Himmel. Langsam zeigten sich die ersten Sterne. Eine Weile sah sie schmunzelnd zu den Sternen und war einfach nur glücklich.
Sie dachte über die letzten Monate nach. Es war die aufregendste Zeit, die sie je erlebt hatte. Alles machte plötzlich Sinn und sie fühlte sich Liam und ihren Jungs näher als je zuvor. Liams Drohung sie hinaus zu werfen, nahm sie nicht ernst. Sie hatte seine Gedanken mitgehört und ihr war sofort klar gewesen, was er damit bezweckte. Trotzdem bemühte sie sich nun Liam in seinem Laden die Führung zu überlassen. Es hatte sie erschreckt, dass sie überhaupt nicht darüber nachgedacht hatte, wie sie Liam behandelte. Sie war von ihren Kräften arrogant geworden. Deshalb wollte sie es ab jetzt besser machen. Sie wollte mit ihren Kräften den Guten helfen und sie nicht unterdrücken. Wenn sie zukünftig mehr darauf achtete, wie es den Menschen um sie herum ging, wie Lee mit ihrer Macht auf sie wirkte, würde sie vielleicht nicht die Bodenhaftung verlieren. Das wollte sie nämlich um jeden Preis verhindern.
Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel sorgte dafür, dass sie schnell den Kopf senkte und angestrengt in die Richtung starrte. Es war ungefähr dort, wo das Rudel im Wald verschwunden war. Misstrauisch runzelte sie die Stirn. Sie
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