Göttin der Wüste
das?«
»Warum fragen Sie nach der Vergangenheit?«
»Verzeihung, aber Sie waren es doch, der mir von der Geschichte des Hauses erzählt hat. Was ist so schlimm daran, wenn ich jetzt –«
Sie brach ab und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vergessen Sie’s.«
»Nein.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter und hielt sie fest. »Es war in der Nacht, als dieser verfluchte Termitenbau brannte, nicht wahr? Sie haben irgend etwas erlebt.«
Sie schob seine Hand weg und wandte sich ab.
»Bitte«, sagte er hinter ihrem Rücken. »Lassen Sie mich Ihre Lippen sehen. Wir müssen miteinander reden.«
Widerstrebend drehte sie sich um. »Worüber? Über die Hirngespinste der San?«
»Das sind keine Hirngespinste. Und ich glaube, Sie wissen das ziemlich genau.«
»Ich weiß gar nichts. Und bestimmt nichts über irgendwelche Geistreisen.«
»Ist Ihnen das schon früher passiert? Zu Hause in Bremen?« Er versuchte nach ihrer Hand zu greifen, aber sie entzog sie ihm. »Haben Sie damals schon Visionen gehabt?«
»Ich habe geträumt wie jeder andere auch.«
»Mehr als das. Sie haben mehr als nur geträumt, oder?«
»Wie kommen Sie nur auf so etwas?«
»Wir wissen beide, daß es die Wahrheit ist.«
Zornig verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Woher denn, um Himmels willen? Sagen Sie mir, wie Sie etwas Derartiges behaupten können.«
Sie sah ihm an, daß er nur so tat, als hätte er die Frage nicht verstanden. »War es zu Hause genauso wie hier in Südwest? Oder sind die Bilder jetzt anders?«
Einen Augenblick preßte sie die Lippen aufeinander und schwieg. Dann aber sagte sie leise: »Beängstigender.«
Erleichtert atmete er auf. »Ist es besser, seit der Termitenhügel fort ist?«
»Viel besser. Ich –« Sie verstummte, als ihr etwas klar wurde. »Das waren Sie! Sie haben den Hügel in Brand gesetzt!«
Er gab keine Antwort.
Cendrine konnte es kaum glauben. »Ich dachte, Sie seien ein Freund der Eingeborenen. Und trotzdem haben Sie nichts Besseres zu tun, als ihre Heiligtümer zu zerstören?«
»Für die San war der Hügel ein Heiligtum, das ist wahr. Aber für Sie, Cendrine, war er weit mehr. Er wurde gefährlich. Er mußte weg.«
»Ich verstehe noch immer nicht, woher Sie all diese Dinge wissen wollen.«
»Machen wir es einmal umgekehrt«, schlug er vor und lächelte wieder. »Was wissen Sie über mich?«
Verwirrt sah sie ihn an. »Über Sie? Ich kenne Ihren Namen, Ihre Familie. Sie sind taub. Und Sie spielen Oboe, viel besser, als Sie zugeben wollen.«
»Das ist noch nicht alles.«
»Tut mir leid. Sie reden nie über sich selbst.«
»Das muß ich auch nicht. Geben Sie sich Mühe. Horchen Sie auf die Stimme in Ihrem Inneren.«
»Ach, lassen Sie das!«
»Nein, versuchen Sie’s.«
»Ich bitte Sie, Adrian! Solche Spielchen beeindrucken vielleicht Ihre kleinen Schwestern, aber nicht mich.«
»Sie waren im Termitenbau, nicht wahr?«
Ihre Hände begannen unmerklich zu zittern. »Das war nur ein Traum«, entgegnete sie schwach.
»Sie tragen ein Geheimnis mit sich herum«, sagte er überzeugt. »Etwas, über das Sie nie sprechen.«
»Reden Sie nur …«
»Es hat etwas mit Ihrem Bruder zu tun.«
Instinktiv trat sie zwei Schritte zurück. Sie kämpfte erbittert gegen den Drang, sich einfach umzudrehen und fortzulaufen. Aber wovor wäre sie geflohen? Vor Adrian, oder vor dem, was er wußte?
»Warum versuchen Sie nicht herauszufinden, ob ich recht habe?«
Sein Tonfall war jetzt schärfer. »Wenn Sie wollen, können Sie alles über mich erfahren. Genauso wie ich es umgekehrt könnte, würde ich es wirklich versuchen.«
Verunsichert legte sie den Kopf schräg. »Sie wollen mir Angst einjagen.«
In seinen hellblauen Augen blitzte etwas. Erst glaubte sie, er unterdrücke ein Lachen, doch dann erkannte sie, daß es etwas ganz anderes war. Er lachte nicht über sie. Ganz im Gegenteil: Er machte sich Sorgen.
Das war eine Erkenntnis, die sie fast noch mehr erschreckte als alles, was er gesagt hatte. Niemand sollte sich um sie sorgen. Sie war alt genug, auf sich selbst aufzupassen.
Er kam langsam auf sie zu. »Sie reden und reden – warum geben Sie nicht zu, daß Sie es insgeheim viel besser wissen? Warum stehen Sie nicht dazu? Hat Ihnen der Termitenbau so zugesetzt? Sehen Sie doch, er ist fort!« Adrian atmete tief durch, als kostete ihn dieses Gespräch große Kraft.
»Das gibt Ihnen trotzdem nicht das Recht, diese Dinge von mir zu behaupten, mögen sie nun wahr sein oder nicht.«
Er rieb sich
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